Sierra Leone bestätigt seinen Präsidenten

In dem westafrikanischen Bürgerkriegsland zeichnet sich ein hoher Wahlsieg des Amtsinhabers ab. Endergebnis dauert

FREETOWN taz ■ Seit Mittwochabend gibt es eine neue Radio- und Fernsehkultur in Sierra Leone. Stoisch verlesen Radiosprecher und Fernsehmoderatoren stundenlang Wahlergebnisse einzelner Wahlstationen. Bei über 3000 einzelnen Auszählungen im ganzen Land haben die Journalisten wohl noch genügend Material für weitere tagelange, abendfüllende Wahlberichterstattung. „APC 256, GAP 15, PLP 56, RUFP 2, YPP 0, MOP 1, SLPP 1254“ - so geht das dann, und nur wenige Zuhörer ermüden. In den Straßen der Hauptstadt Freetown laufen die Leute mit dem Ohr am Radio und Stift und Zettel in der Hand durch die Straßen und schreiben akribisch mit.

„Wir schreiben alles mit, damit uns die Wahlkommission nachher nichts erzählen kann“, sagt Davis Tam-Baryoh, ein sierraleonischer Journalist. Einige fragen sich, ob es überhaupt rechtens ist, was die knapp ein Dutzend Radiosender und das staatliche Fernsehen tun. Eigentlich ist es der Wahlkommission vorbehalten, die Wahlergebnisse zu veröffentlichen.

Walter Nicol, Chef der Wahllommission, hatte die Endergebnisse für den gestrigen Freitag anberaumt. Bis zum Nachmittag standen sie noch nicht fest. Von Verzögerungen war die Rede. Dennoch war der Trend klar: Der amtierende Präsident Ahmed Tejan Kabbah von der „Sierra Leone Peoples Party“ (SLPP) hat offensichtlich klar gewonnen und muss nicht einmal mehr in die Stichwahl. Eine Kalkulation, die auf der Auszählung von über 1,1 Millionen Stimmen beruht - mehr als die Hälfte - gibt ihm 70,8 Prozent, weit mehr als die zum Sieg im ersten Wahlgang erforderlichen 55 Prozent. Somit würde es zu keiner Stichwahl mit dem Zweitplatzierten Ernest Bai Koroma vom „All Peoples Congress“ (APC) kommen, der bei etwas über 20 Prozent lag. Alle anderen sind abgeschlagen.

Auch im Rennen um die Neubesetzung des Parlaments liegt die SLPP vorne. Bis Freitag nachmittag war es noch nicht klar, ob es die Regierungspartei in dem neueingeführten Verhältniswahlrecht schafft, die absolute Mehrheit im Parlament zu erlangen. Es ist aber nicht zu uebersehen, dass Sierra Leone entlang regionaler und ethnischer Linien gewaehlt hat. Im Norden konnte die APC einen klaren Sieg davontragen. In den Parlamentswahlen fuhr nur noch der Militärmachthaber von 1996-97, Johnny Paul Koroma, landesweit Gewinne ein. Beunruhigend ist es für viele Beobachter, dass der Ex-Putschist vor allem unter den Soldaten viel Unterstützung gefunden hat. In einigen Orten konnte auch die RUFP, die Partei der ehemaligen Rebellen der „Revolutionary United Front“ ein paar Stimmen auf sich vereinen. Aber es war nicht klar, ob sie auch im Parlament vertreten sein wird.

Der UN-Sondergesandte Oluyemi Adeniji ist jedenfalls zufrieden. Er sagte schon am Wahlabend, dass die Wahl extrem friedlich verlaufenen sei. „Das Volk von Sierra Leone kann auf diese vorbildlich abgehaltene Wahl stolz seinâ“, sagte Adeniji auf einer Pressekonfernez der UN-Mission in Sierra Leone. Die freien Wahlen im ganzen Land bedeuteten einen vorläufigen Höhepunkt in der Geschichte der UN-Mission UNAMSIL. Diese zählt zu den Erfolgsgeschichten der UNO und ist gleichzeitig ihr größtes Aufgebot weltweit.

Auch die Beobachter der EU und des unabhängigen US-amerikanischen Carter Centres sagten gestern, dass sie mit dem Ablauf der Wahlen äußerst zufrieden seien. „Die Wahlen waren gewaltfrei“, lobte Johan van Hecke, Leiter der EU-Beobachterdelegation. „Anfängliche Unzulänglichkeiten bei der Registrierung sowie Einschüchterung in einen Gebieten vor der Wahl und riesige logistische Schwierigkeiten haben das Bestreben des Volkes, ihr Wahlrecht auszuüben, nicht untergraben.“ HAKEEM JIMO