Die Leiche wartet schon

Die italienische Gruppe Motus präsentiert im Elysée-Hotel ein kleines, lustiges Gangsterdrama zum Zugucken

Schwingtüren wie im Krankenhaus, Teppich wie beim Arbeitsamt, dazwischen künstlerisches Allerlei in Goldrahmen und jede Menge Marmor: So sieht Wohnen im Hotel aus. Im Luxushotel, versteht sich. Dort spielt auch Jean Genets Drama Splendid‘s, in dem sich sieben schwerbewaffnete Gangster sowie ein übergelaufener Polizist verbarrikadiert haben. Ihr Coup ist gründlich misslungen, die Geisel längst erschossen. Draußen wartet die Polizei.

Die Nervosität der Männer angesichts der aussichtslosen Lage interpretierte am Wochenende die Theatergruppe Motus aus Rimini – in der Suite des Elysée-Hotels in der Rothenbaumchaussee. Eingebettet ist diese Idee in das Projekt Rooms, das die als „Kultgruppe“ angekündigten Motus schon in mehrere Hotelzimmer-Performances umgesetzt hat.

Als eine von insgesamt drei zu Gastspielen geladenen Gruppen repräsentieren Motus während des Kampnagel-Themenblocks „TeatroCittà“ dieser Wochen die neue italienische Szene – auf italienisch und ohne Über- und Untertitel. Vom etwas aufgesetzen Apéritif-Empfang im Flur laden zwei der in legere Anzüge gekleideten Bandenmitglieder in die Suite. Hier sieht es ungewohnt bewohnt aus, und auch die Leiche ist schon da.

In einer Ecke des Zimmers nehmen die etwa dreißig Zuschauer Platz und werden so zu Zeugen des Geschehens. Eine gute Stunde lang flitzt das Ensemble durch die Suite, räkelt sich auf dem Bett, isst und führt Accessoires wie Bademantel- und -haube vor. Dabei agiert es jedoch in Mimik und Gestik für Nicht-Muttersprachler zu eingeschränkt. Auch verharren die Tanzszenen, die immerhin im Stück stehen, vorzugsweise in machomäßigem Getänzel. Der „letzte Tanz“ des aggressiven Jungshaufens erweckt trotz vielschichtigen Soundtracks kein rechtes Mitgefühl. Dass die Nerven der Gang blank liegen und der Finger auf dem Abzug der Maschinengewehre zittert, ist fast körperlich spürbar.

Aus der allgegenwärtigen Angst eines jeden, durch einen dummen Zufall in ein Verbrechen zu geraten, wird in der Inszenierung allerdings wenig gemacht. Nur kurz wirkt es bedrohlich, wenn einer der Gangster freundlich ins Publikum lächelt, dabei aber womöglich genau das Gegenteil durch die Zähne presst.

Und während die aufgekratzte Bande wie auf Droge die letzten freien Minuten ihres Lebens auskostet, ist der Polizist aufgeräumter Laune angesichts seines endlich gesetzlosen Daseins. Als die Verbrecher sich schließlich ergeben wollen, wird der Polizist jedoch wieder zu dem, was er eigentlich ist, und nimmt die sieben fest.

Danach dürfen alle auf dem Balkon Luft schnappen und bei Bedarf mit dem Ensemble plauschen. Und im Fahrstuhl erinnert nur noch Eros Ramazotti an eine irreale Begebenheit im sechsten Stock. Liv Heidbüchel

weitere Motus-Inszenierungen auf Kampnagel: „Twin Rooms“, 23. bis 26. Mai, 20 Uhr, Kampnagel