Vom Stolz, Bremer zu sein

■ Die Hansestadt, so liebenswert und lebenswert. Die Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion versichert mit Nach- und Vierfarbdruck: Wir sind Bremer, und das ist auch gut so!

Patriotismus ist die historische Domäne der Konservativen. Da können sich die Sozis bis zur Selbstverleugnung abstrampeln, – sie bleiben doch immer unter Verdacht, vaterlandslose Gesellen zu sein. Ihr Glück, dass die Leuchtkraft der Nation in den letzten Jahrzehnten verblasst ist. Anders im Kleinen: Durch Bremen geht alle Jahre wieder ein Aufschrei, wenn jemand das unausweichliche Ende der Bremer Selbstständigkeit prophezeit, wie zuletzt Rechtsprofessor Erich Röper. Der ehemalige CDU-Landesgeschäftsführer rüttelte mit dieser Nestbeschmutzung an den Grundfesten der Bremer Identität, die so quicklebendig sind wie zu Zeiten der Hanse. Nirgends lassen sich mit lokalpatriotischen Beschwörungsformeln noch immer so trefflich Emotionen schüren, wie in „Europas ältester Stadtrepublik“ (Scherf). Röpers Parteifreunde (oder müssten sie eigentlich -feinde heißen?) haben das genau verstanden. Nur leider verhält es sich mit dem Patriotismus in Bremen fast umgekehrt wie in der Nation: Bremer sein, das heißt irgendwie immer noch: Sozialdemokrat sein. Umso mehr muss sich die CDU ins Zeug legen, wenn sie das Erbe von Kaisen und Koschnick für sich reklamieren will. Tut sie auch. Zuletzt mit einem wahren Kompendium der Bremer Eigenlobhudeleien: In einem ovalen Büchlein stellen sich die 42 CDU-Bürgerschaftsabgeordneten vor – eine permanente Selbstvergewisserung in Rot-Weiß:

„Bremer sein“ ist das Programm

Fraktionschef Jens Eckhoff gibt die Marschroute vor: „Keine Frage, ich bin bekennender Bremer“, beugt der nicht minder bekennende USA-Fan Missverständnissen vor. Warum? Weil sich „großstädtisches Leben und beschauliche Idylle ideal ergänzen“. Liebenswertes erhalten und Visionen verwirklichen – das sei kein Spagat, sagt jener Parlamentarier, von dem solche gymnastischen Übungen niemand erwartet hätte. Hinter seinem Porträt bläht das Universum seinen mächtigen Bauch. „Liebenswert“ und damit „lebenswert“, da sind sich die CDUler einig, das ist das Kleine, Ländliche, Grüne. Das „Dorf mit Straßenbahn“, das Senator a.D. Bernt Schulte einfach „anheimelnd“ findet, weil „das Schrille, Laute, die Hektik anderer Großstädte fehlt“ (Vorgänger Borttscheller). Unnachahmlich, wie Karl Uwe Oppermann die Sehnsucht nach Ruhe in schlichte Worte fasst: „Wenn ich an meinem Gartenteich sitze und das Wasser glu-ckern höre, ist die Welt für mich in Ordnung.“ Das ist sie für die FraktionskollegInnen auch: in Bremen. Sie finden, dass es sich „gut leben“ lässt, sprechen gern über „die Vorzüge“ der Stadt, die Sehenswürdigkeiten; fühlen sich „gut aufgehoben“ oder entdecken das „gewisse Etwas“. Toll. Wofür muss man da eigentlich noch CDU wählen? Natürlich, weil es keine loyaleren Volksvertreter geben kann. „Ich möchte nirgendwo anders leben“, versichert Berhard Kurpiers eifrig und die junge Kollegin Viola Mull gibt ihm aus kosmopolitischer Perspektive Recht: „Nur wer weggeht, kann zurücckehren“, bringt sie ihre Reiseerfahrung auf den alles entscheidenden Punkt. Einer scheint vom Weggehen regelrecht traumatisiert: „Ich bin Bremer. In Schwachhausen geboren, in Schwachhausen wohnhaft“, beteuert Finanzsprecher Wolfgang Schrörs. Und dann kleinlaut: „Zugegeben, ich habe Bremen den Rücken gekehrt – wegen eines Studienplatzes in Köln.“ Aber obwohl es ihm am Rhein gut gefallen hat, ist er „gern an die Weser zurückgekehrt“. Der verlorene Sohn! Kollegin Karin Schnarkenberg denkt zwar an einen Altersruhesitz auf Mallorca, schaltet aber gerade noch auf Schubumkehr: „... viele Rückflugtickets inklusive.“ Sogar die Bremerhavener überbieten einander in Treueschwüren: „Meine Heimatstadt. Und sie wird es bleiben“, schreibt beschwörend Thomas Röwekamp. „Keine zehn Pferde kriegen mich aus Bremerhaven weg“, stemmt sich Wolfgang Pfahl gegen den Abwanderungstrend. Platzhirsch Michael Teiser fasst trotzig zusammen: „Auch in Bremerhaven sind Elan, Kreativität und Lokalpatriotimus zu Hause.“

Stolz, ein Bremer zu sein

Patriotismus und Stolz liegen heutzutage bekanntlich nahe bei einander. Und tatsächlich, die alphabetisch erste Abgeordnete Anna Absolon ist einfach „stolz auf unsere Stadt“, wenn Touristen „tief beeindruckt über den Marktplatz schlendern“. Als hätte sie die Rathauszinnen selbst gemeißelt. Klaus Peters dagegen lassen „unsere maritimen Wurzeln“ die Brust schwellen, trotz Werftenkrise. Ein besonderes Stück Merz-Prosa hat Ronald-Mike Neumeyer verfasst: Er ist sich sicher, „dass das Gros der Bremer in seinem Stolz auf diese Stadt unbeirrbar ist.“ Mit Recht, findet er, denn „die große Koalition verbucht mehr Erfolge als Misserfolge.“ Will nur keiner sehen: „Trotzdem lassen die Miesmacher keine Gelegenheit aus, um herumzuunken.“ Dabei weiß Neumeyer: „Schwarzmalerei schadet nur. Und das hat Bremen nicht verdient.“ Hat denn keiner gehört, wie Rolf Gagelmann zum Neuanfang geblasen hat? „Die Zeit der Minderwertigkeitskomplexe ist vorbei“, macht uns der Sportpolitiker Mut. „Bremen traut sich was, Bremen tut was – seit 1995.“ Stunde null. Wir sind wieder wer. Dabei waren wir eigentlich immer schon was. Beispiel Freimarkt, „eine über Jahrhunderte hinweg kultivierte Tradition“, wie MdBB Heinz Hoffhenke erinnert. Kultiviert saufen, kultiviert kotzen. Aber der Amüsier-Beauftragte der Fraktion will nicht von gestern sein, legt eilends nach: „Dass die Bremer keineswegs rückwärts gewandt sind, beweist ihr Engagement für das Amüsement der Zukunft: der Space Park.“ Leider mag sich sonst niemand so recht engagieren ... Apropos kultiviert: Jörg Jäger, neuerdings begeistert „drin, also online“, lässt uns wissen: „Ich kultiviere auch andere Interessen“: Kochen, Radfahren „und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. „Christdemokraten haben eben ganz eigene Hobbys. Den würdigen Abschluss macht eine, die das dem “W“ auf ihrem Klingelschild verdankt: Annedore Windler, Sprecherin für „Frauenfragen“ reduziert nonchalant Alice Schwarzer auf ihre Rolle als Widerpart von TV-Sternchen Verona Feldbusch, um flugs ihre eigene frauenpolitische Zielgruppe zu definieren: Mütter und einsame Großmütter. Wir haben verstanden. Keine weiteren „Frauenfragen“. Aus dem Hintergrund lässt die Redaktion des Büchleins eine Kuh mit prallem Euter an der CDU-Oberfrau vorbeiglotzen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ... Jan Kahlcke

Erhältlich im CDU-Fraktionsbüro, Am Wall 135, 28 195 Bremen