Die Pfannkuchenrunde

Lange hat es gedauert, heute ist es so weit: Der rot-rote Senat verhandelt mit den Gewerkschaften über Einsparungen im Personalbereich. Verdi-Chefin Stumpenhusen: Senat muss Vorschläge machen

von RICHARD ROTHER

Den einen gelten sie als Besitzstandswahrer, den anderen als Verteidiger der kleinen Leute – die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, allen voran die mächtige Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, in der die ehemalige ÖTV die Hauptrolle spielt. Und heute haben sie ihren großen Auftritt – beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der Spitzenfunktionäre von Ver.di, Polizei- und Lehrergewerkschaft sowie den DGB-Landesvize Bernd Rissmann zu einer ersten Verhandlungsrunde zitiert. Einziges Thema: die Einsparung von Personalkosten im öffentlichen Dienst von jährlich 500 Millionen Euro, der so genannte Solidarpakt. Der Senat will mit dem Lohnverzicht der Beschäftigten einen Beitrag zur Sanierung des defizitären Haushalts leisten.

Die Betroffenen sind alles andere als begeistert – der Gewerkschaftsnachwuchs bei der Polizei hat jüngst gar Innensenator Erhart Körting (SPD) auf Plakaten zur Fahnung ausgeschrieben. Solche Aktionen sind zwar die Ausnahme. Die Gewerkschaftsfunktionäre nehmen aber kein Blatt vor den Mund, wenn sie sagen sollen, was sie vom Solidarpakt halten. „Wenn das wieder nur eine Pfannkuchenrunde wird, reicht es mir“, sagt Ver.di-Chefin Susanne Stumpenhusen. „Seit einem halben Jahr quatschen wir nur, passiert ist noch nix.“ Der Senat habe seine Vorschläge immer noch nicht auf den Tisch gelegt.

Allerdings: Egal, was Rot-Rot vorschlägt – für die Gewerkschaften ist ohnehin klar, was sie nicht wollen: Den Beschäftigten „ist es nicht zuzumuten, Versäumnisse in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik der letzten 12 Jahre haushaltskonsolidierend auszugleichen und dabei persönliche Einbußen für politisches Missmanagement in den nächsten sieben Jahren hinzunehmen“, heißt es in einer internen Marschroutenvorgabe für das heutige Gespräch. „Darüber hinaus ist nicht vorstellbar, dass Ver.di mit dem Land Berlin den Einstieg in die Auflösung des bundesweiten Tarifvertragssystems zulässt.“

Im Kern geht es um die Vorstellungen des Senats, Einkommensbestandteile wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld zu kürzen. Diese sind jedoch im öffentlichen Dienst bundesweit tarifvertraglich geregelt. Sollten die Gewerkschaften hier Kürzungen zustimmen, müsste der Tarifvertrag aufgeweicht werden. „Wenn wir das machen, stehen zwei Tage später die Arbeitgeber aus Sachsen oder Brandenburg auf der Matte“, heißt es bei Ver.di. Deshalb unterstützt auch der Bundesvorstand die harte Haltung der Berliner, im Herbst stehen neue Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst an.

Die Gewerkschaften in den östlichen Bundesländern haben allerdings in den vergangenen Jahren immer zugestimmt, wenn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgrund schwieriger Haushaltslagen weniger als ihre Kollegen im Westen verdienen sollten. Im wirtschaftsschwachen Berlin war daran nicht zu denken – im Gegenteil: Als Regierender Bürgermeister sorgte Eberhard Diepgen (CDU) dafür, dass die Ostlöhne auf Westniveau stiegen. Obwohl die Beschäftigten im Ostteil eineinhalb Stunden mehr pro Woche für das gleiche Geld arbeiten müssen, hatte Diepgen so die soziale Einheit der Stadt vorangetrieben – allerdings auf Kosten einer höheren Verschuldung.

Die Macht der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ist historisch gewachsen – vor allem im Westteil der Stadt. Jahrzehntelang boten der öffentliche Dienst und die landeseigenen Unternehmen eine Art Jobgarantie für die, die woanders nicht unterkamen und der Inselstadt nicht den Rücken kehren wollten. Und wer einen Job in Verwaltung, BVG, BSR oder Bewag bekam, trat meist sofort in die ÖTV ein. Da andere Branchen in Westberlin kaum eine Rolle spielten, wuchs der politische Einfluss der ÖTV entsprechend – was anderswo die IG Metall ist, ist in Berlin Ver.di. Ohne sie geht nichts.

Dass Ver.di nur den eigenen Machterhalt im Blick hat und Reformen blockieren würde, ist daher ein beliebter Vorwurf. In der Tat wünscht sich mancher, der Umbau der Stadt, der die Überbleibsel von Ost-Staatssozialismus und West-Sozialstaat der Nachkriegszeit beseitigt, ginge schneller. Diesen Umbau bremsen die Gewerkschaften, verhindern tun sie ihn nicht. Ver.di jedenfalls hat Entwicklungen zugestimmt, die eigentlich ihrer Programmatik widersprechen: So wurden im öffentlichen Dienst mehr als 50.000 Stellen abgebaut, Bewag und Wasserbetriebe wurden verkauft, die städtischen Krankenhäuser sind jetzt ein landeseigenes Unternehmen, bei der BVG wurde eine Tochtergesellschaft gegründet, die geringere Löhne zahlt.

Auch im aktuellen Konflikt werden die Gewerkschaften bereit sein, etwas zu geben. Setzt ihnen doch Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Pistole auf die Brust. Scheitert der Solidarpakt, will er weniger Lehrer oder Polizisten einstellen. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schöne, lenkt bereits ein: „Wir wollen nicht ewig Krieg mit dem Senat führen.“