dienstagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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Früher, da ich mich noch zu den Liberal-, pardon, Linken im Lande zählte, da hätte es so etwas nicht gegeben: Proteste beim Besuch eines amerikanischen Präsidenten. Früher, da wären Kuchen, Kirschstreusel und Konfetti geflogen, ungelogen, jawohl. Früher, da wäre mir dies natürlich ein Segen, eine Freude, ein innerer Reichsparteitag gewesen. Heute aber, da ich den Kinderschuhen entwachsen und kein Kindermund mehr Wahrheiten kundtut, sehe ich diese Angelegenheit professioneller, professoraler und profaner. Westberlin beispielsweise wäre ohne die mildtätige Unterstützung unserer US-Freunde, -Verehrer und -Verwandten eingegangen wie eine angeschwemmte Qualle auf dem Trockenen. Im Herzen Brandenburgs läge demnach – statt der stolzen Spreemetropole, wie wir sie kennen – heute nur ein schlierig nässender, allmählich trocknender Glitschfleck. Jedes Promenieren, Flanieren und Protestieren könnten wir uns dann in die Haare schmieren. Aber so was von.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge