Rudi wird nicht euphorisch

Die deutsche Mannschaft gewinnt gegen Sparringspartner Österreich mit 6:2, verliert dabei aber Sebastian Deisler für die WM. Nun hofft Teamchef Völler wenigstens auf eine ruhige Vorbereitung

aus Leverkusen ERIK EGGERS

Vergangene Woche hatte Christian Ziege noch Anlass gesehen, die versammelten Meinungsmacher auf die nationale Sache einzuschwören. Im verschlafenen Troisdorf, dem WM-Vorbereitungsquartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, war eine pathetische Hilflosigkeit in die Stimme des zurzeit erfahrensten Nationalspielers gekrochen. „Wir müssen doch alle an einem Strang ziehen, auch die Presse“, forderte Ziege, als es darum ging, die peinliche 0:1-Blamage von Cardiff aufzupolieren.

Die Sinnlosigkeit dieses Aufrufs wurde spätestens am Samstag deutlich. Da kam, das hatte Ziege offenbar vergessen, im letzten Testspiel vor der WM der rechte Aufbaugegner in die Leverkusener BayArena. Anders als Wales präsentierten sich die österreichischen Gegner weitaus artiger und offerierten ihre großartigen Qualitäten als Sparringspartner. So unternahm die Mannschaft von Trainer Hans Krankl so ziemlich alles, um das vorübergehende Stimmungstief der Deutschen in Vergessenheit geraten zu lassen.

Eine „physische Überlegenheit von Jancker und Bode in der Luft“ hatte Krankl für die deutsche Überlegenheit verantwortlich gemacht, damit aber das Wesentliche ausgespart. Denn allzu oft gab seine konfuse Defensive selbst die Vorlage zu deutschen Toren. Zum Beispiel beim Führungstreffer, als der dreimalige Torschütze Klose einen zu kurz abgewehrten Kopfball mit einem Volleyschuss verwertete. Zum Beispiel beim 3:0 durch Bode, als Cerny so freundlich war, dem Flankengeber Ziege den Ball direkt in die Füße zu servieren. Zum Beispiel beim 5:2, als Bode noch dazu die Hilfsbereitschaft des gegnerischen Keepers in Anspruch nehmen durfte. Und zum Beispiel beim finalen 6:2 durch Bierofka, dem ein kapitaler österreichischer Ballverlust im eigenen Strafraum an Passgeber Asamoah vorausgegangen war. Hinterher wunderten sich alle, dass nicht auch noch Carsten Jancker, der eine weitere Leistungssteigerung hatte erkennen lassen, zu einem Tor gekommen war. Warum hatte ihn nicht einfach ein Österreicher so angeschossen, dass der Ball ins Tor trudelte?

„Wenn man sechs Tore schießt, muss man zufrieden sein mit der Offensive“, meinte Rudi Völler hinterher. Nach dem Spiel in Cardiff war der Teamchef nicht in Depressionen verfallen, nun sah er trotz all der Tore wenig Anlass, „gleich euphorisch zu werden“. Ohnehin viel wichtiger, fand Völler, sei dieser Erfolg „für die Außenwirkung“. Das vorrangige Ziel des Tests, eine ruhige Trainingsarbeit in Japan zu gewährleisten, scheint gesichert.

Sicher ist auch, wie wichtig gerade die Leverkusener Achse mit Michael Ballack und Bernd Schneider für das deutsche Mittelfeld ist, vor allem das hilflose Herumirren von Jörg Heinrich in Cardiff machte das deutlich. Auch Völlers samstäglicher Versuch, den Dortmunder auf der linken Seite einzusetzen, scheiterte kläglich. Somit geraten die beiden hoch beanspruchten Leverkusener noch mehr zu Schlüsselspielern. Erst recht vor dem Hintergrund, dass die WM nun doch noch ohne die Kreativ-Hoffnung Sebastian Deisler stattfinden wird. Erneut verletzte sich der Bald-Bayer am chronisch maladen Knie, obwohl der vorausgehende Zweikampf mit dem Österreicher Landerl völlig harmlos war und keine Spur von harter WM-Simulation darstellte. Zwar hat sich Deisler entgegen erster Befürchtungen keine schwerere Verletzung, sondern einen Bluterguss im Knie zugezogen. Dennoch muss der 22-Jährige zur weiteren Behandlung in die USA fliegen, wo er im Oktober 2001 operiert wurde und wo vermutlich eine Arthroskopie durchgeführt wird. Für die WM fällt er somit aus. „Ich bin wahnsinnig enttäuscht, aber es ist nicht zu ändern“, kommentierte Deisler die Diagnose und fügte hinzu: „Ich wünsche der Mannschaft eine erfolgreiche WM.“

Am wenigsten Sorgen bereitet Völler noch die Angriffsformation. Vor allem Klose überzeugte in Leverkusen. „Wir haben viele Stürmertypen“, sagte Bundestrainer Michael Skibbe – und prophezeite selbstsicher „viele Tore in Japan“. Angesichts des einigermaßen desaströsen Zustandes der Defensive, die ohne die Stammkräfte Wörns und Nowotny auskommen muss, sind diese Tore allerdings auch notwendig. „Wir haben da wohl Probleme“, konzediert selbst Skibbe. Unter diesen Umständen wäre das Erreichen des Viertelfinales schon eine veritable Sensation.

Deutschland: Kahn - Frings (85. Rahn), Linke, Metzelder, Ziege (46. Heinrich) - Jeremies (73. Baumann), Hamann, Bode (81. Bierofka) - Deisler (22. Kehl) - Jancker (73. Bierhoff), Klose (67. Asamoah)Zuschauer: 21.500; Tore: 1:0 Klose (15.), 2:0 Klose (29.), 3:0 Bode (36.), 3:1 Aufhauser (37.), 3:2 Wallner (46.), 4:2 Klose (53.), 5:2 Bode (70.), 6:2 Bierofka (83.)