Schmidt will Obstesser belohnen

Gesundheitsministerin wünscht, dass Kassen die Zuzahlungen für brave Präventionsteilnehmer senken. Grüne: Nicht Belohnung und Bestrafung, sondern Forschung ist nötig. „Wir wissen gar nichts über Prävention“

BERLIN taz ■ Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Krankenkassen aufgefordert, ihre Versicherten finanziell für gesundheitsbewusstes Verhalten zu belohnen. Wer sich an Präventionsprogrammen beteilige, „dem könnten Zuzahlungen erlassen werden“, sagte sie am Pfingstwochenende. Schmidt befürwortete auch, dass Versicherte ihre Kassenbeiträge teilweise zurückbekommen, wenn sie an Gesundheitsprogrammen im Betrieb teilnehmen. Den Verzicht auf Arztbesuche wollte sie jedoch nicht honoriert wissen. „Dann würden Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen.“

Prävention soll nach Schmidts Vorstellung die „vierte Säule“ im Gesundheitswesen werden – neben Therapie, Rehabilitation und Pflege. Schon vor Monaten kündigte sie ein Präventionsgesetz an, auch von einer Präventionsstiftung war die Rede.

Als Wahlkampfschlager taugt Prävention freilich nur wenig – ist sie doch das einzige Thema im Gesundheitsbereich, über das sich fast alle Akteure einig sind: mehr davon. Ausnahme ist natürlich die Pharmaindustrie, deren Absatz sinken dürfte, wenn die Deutschen plötzlich dank Obst und Gemüse gesünder wären: Die 25 bis 30 Prozent Sparquote, die der Sachverständigenrat, Schmidts Beratergremium, für Krankheitsvermeidung geschätzt hat, träfe zuallererst die Pillenbranche.

Die weitgehende Einigkeit endet auch bei der konkreten Umsetzung. „Ein System von Belohnung und Bestrafung führt nicht zum Ziel“, kritisierte gestern etwa die grüne Gesundheitspolitikerin Monika Knoche die Schmidt’schen Vorschläge gegenüber der taz. Zum Beispiel müsse die Teilnahme an Nichtraucherprogrammen ja wohl „von einer Gesundheitspolizei kontrolliert“ werden – kaum vorstellbar. Es komme zunächst einmal darauf an, Daten über Möglichkeiten und Erfolge von Präventionsmaßnahmen zu erheben: „Wir wissen einfach noch nichts über die Faktoren, die über das individuelle Gesundheitsverhalten hinausweisen“, sagte Knoche. Familien-tradiertes Essverhalten, Wohn- und Arbeitsverhältnisse seien Bedingungen, deren Auswirkung auf die Gesundheit ebenso unbestritten wie unerforscht seien. „Es gibt noch nicht einmal einen Lehrstuhl für Prävention“, erklärte Knoche.

Auch der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Friedrich Wilhelm Schwartz, hat unlängst kritisiert, dass die Bundesregierung ein umfassendes Präventionskonzept vermissen lasse. „Wer Anti-Raucher-Politik machen will, darf nicht auf EU-Ebene Maßnahmen gegen die Tabakkonzerne blockieren“, zürnte Schwartz. Rot-Grün hatte kurz nach Regierungsantritt ein EU-weites Tabakwerbeverbot ausgebremst. UWI