Unverändert rechtsextrem

Im Gericht schweigen, aber draußen prahlen: In einer Diskothek gab Andre B. damit an, dass er 1992 in Rostock-Lichtenhagen „drei Kanacken“ angezündet hat. Eine Zeugin war nicht beeindruckt – und sagte gegen den Skin aus

SCHWERIN taz ■ Meist schweigt Andre B. und gibt sich gelangweilt. Scheinbar apathisch sitzt er da in seinem Hooligan-Outfit, während vor dem Schweriner Landgericht die rassistischen Pogromnächte in Rostock-Lichtenhagen verhandelt werden. Im August 1992 hatten Skins das Wohnheim von 150 vietnamesischen Vertragsarbeitern angezündet. Morgen wird der Prozess fortgesetzt, Anfang Juni ist mit den Urteilen zu rechnen.

Doch während sich Andre B. im Gericht als unschuldig Angeklagter präsentiert, ist der 28-Jährige außerhalb offenbar weniger zurückhaltend. Wie eine Zeugin vor der Schweriner Staatsanwaltschaft aussagte, soll sich B. in der Schweriner Diskothek „Venus Bar“ ganz unverblümt mit den Rostocker Brandnächten gebrüstet haben. Andre B. habe ihr ein Gespräch aufgedrängt, so die junge Frau, habe sie gefragt, ob sie Fernsehen gucke und die Lichtenhagen-Prozesse verfolge. Dann habe B. erklärt, er sei in Rostock dabei gewesen, als „drei Kanaken brannten“. B. habe darauf beharrt, so die Zeugin, dass es eine „tolle Sache“ gewesen sei – und habe dann hinzugefügt, dass die Staatsanwaltschaft „zu doof“ sei, um ihn dafür zu belangen.

Doch blieb es in jener Nacht vom 20. April 2002 nicht bei diesen Prahlereien. Andre B., der seit 1992 bereits mehrfach wegen Körperverletzung und rechten Propagandadelikten verurteilt wurde, soll erneut gewalttätig geworden sein. Wie ihm die Staatsanwaltschaft Schwerin vorwirft, habe er in der „Venus Bar“ einen anderen Besucher so massiv ins Gesicht geschlagen, dass das Opfer mit dem Hinterkopf auf einen Betonfußboden prallte und schwerste Kopfverletzungen erlitt. Seitdem sitzt Andre B. in Untersuchungshaft. Sein Verteidiger Andreas Roter verbreitet inzwischen, dass nicht B. zugeschlagen habe, sondern ein anderer Diskobesucher. Im Übrigen habe B. wirres Zeug geredet, so Roter, und über die Brandnächte in Lichtenhagen „keinesfalls etwas Tatrelevantes zugegeben“.

Bislang jedoch ließen sich die Haftrichter nicht überzeugen. Auch der Berliner Rechtsanwalt Martin Poell, der den Nebenkläger und ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter Nguyen Do Thinh im Lichtenhagen-Prozess vertritt, ist sich sicher, dass B. die jüngsten Vorfälle in der „Venus Bar“ nicht wahrheitsgemäß schildert. B. habe seine „rechtsextreme Haltung seit 1992 nicht geändert“ und sei „offensichtlich völlig resistent“ gegen das laufende Gerichtsverfahren, so Poell. Das verwundert den Vertreter der Nebenklage nicht: „Wenn man einen Prozess wegen versuchten Mordes an über 100 Vietnamesen zehn Jahre lang verschleppt, müssen sich die Täter ermutigt fühlen weiterzumachen, als sei nichts geschehen.“

Zwar hatten die beiden Mitangeklagten von B. sogar gewisse Reue gezeigt, als Nebenkläger Nguyen Do Thinh seine Todesangst während der Brandnächte von Lichtenhagen schilderte. Doch hatte dieser Anflug von gespielter Einsicht kaum Einfluss auf die Selbstsicherheit, die die drei Skins im Gerichtssaal zur Schau stellen. Sie sind sich sicher, dass der letzte Prozess zum Pogrom von Lichtenhagen im Juni mit Freisprüchen endet – denn die möglichen Tatzeugen, die rechten Kampf- und Weggefährten von damals, sind eingeschüchtert oder nicht gewillt, sich allzu genau zu erinnern.

HEIKE KLEFFNER