harald fricke über Märkte
: Die Rückkehr der Vegi-Ritter

Widerstand gegen Amerika ist noch immer Kulturkampf: Wir gegen McDonald’s

Der Kanzler mag klare Verhältnisse. „Konnopke“ heißt Gerhard Schröders Lieblingsimbiss in Berlin. Gesehen hat ihn an der Wurstbude auf der Schönhauser Allee zwar noch niemand. Aber wenn es um Nähe zum Volk geht, kann man in Deutschland mit einem Bekenntnis zur Currywurst gut Punkte machen.

Schlechter ist es um seinen Kollegen George W. Bush bestellt. Würde er sich heute beim Besuch im Kanzleramt nicht als Berliner, sondern als Hamburger-Freund outen, der für Brezeln nur ein Ohr übrig hat, wären neben den üblichen Demonstranten auch Bild, B. Z. und halb Deutschland in Aufruhr wegen so viel Big-Mäc-Patriotismus. Denn Burger und Fastfood sind die wahren Feinde in einem Kulturkampf, bei dem das US-Imperium mit jeder McDonald’s-Filiale zuzuschlagen droht. Schon 1980 sang die Düsseldorfer Punkband „Der Plan“ von „gefährlichen Clowns“, die als gelbrote Ronald McDonalds Deutschland in ein Junkland verwandeln wollten. „Achtung, Kurt Martin, die Macht greift ganz sacht hin“, hieß es damals wachsam und wehrhaft.

Dabei weiß jeder, der mal Chicago, New Orleans oder New York besucht hat, dass man erstens ganz gut mit und zweitens: eben auch ganz gut ohne Hamburger leben kann in Amerika. Denn das ist ja das Schöne – alles geht, nichts muss. Wer lieber Huhn mag, holt sich halt Chicken Wings. Außerdem ist nicht jeder Burger gleich: Es gibt echte Gourmetlokale, in denen man für teures Geld das Stück Fleisch im Schaufenster auswählen kann, das durch den Wolf gedreht und als frisch gehacktes Meat de Luxe serviert wird.

Ohnehin haben die Amis ihre Fastfood-Kultur bloß von uns geborgt. Der original Hamburger geht auf deutsche Emigranten aus der Hansestadt zurück, die um 1880 ihre Buletten mit nach Amerika brachten. 1904 war der erste Hamburger-Imbiss noch eine Sensation auf der Weltausstellung in Saint Louis; und auch die Brüder Richard & Maurice McDonald hatten nicht die Weltherrschaft im Sinn, als sie 1953 in San Bernardino das erste Lokal mit den gelb leuchtenden Bögen eröffneten. Es sollte ein Schnellrestaurant sein, in dem Familien preisgünstig essen konnten. Weil aber Geschwindigkeit keine Hexerei ist, sondern klug kalkulierte Arbeitsorganisation, wurde das Unternehmen 1961 von Ray Kroc aufgekauft, der seine Waren fortan als Franchise-Produkte für Lizenznehmer auf den Markt brachte. Dabei wird alles nach denselben Rezepten zubereitet, jede Filiale muss von der Einrichtung bis hin zur Kleidung des Personals nach Art einer Corporate Identity erscheinen.

Diese Idee hat sich mit 26.000 Filialen in 119 Ländern durchgesetzt – als Blueprint der Globalisierung, dessen aktuelles Symbol nicht zufällig Bush ist. Zugleich kannte die Regel jedoch stets lokale Ausnahmen: McDonald’s Thailand verkauft marinierte Burger, in den Niederlanden gehören Kroketten zum Programm, und die Inder bieten Lammfleisch mit Mixed Pickles als „Maharaja Mac“ an. Mitunter nimmt das Unternehmen politische Realitäten sogar ernster als den eigenen Willen zur Expansion: Deshalb weigert sich Omri Padan, der Chef-Manager von McDonald’s Israel, auch nur eine Filiale in den besetzten Gebieten im Westjordanland zu eröffnen, weil die Siedler mit ihrer Landnahme gegen das Grenzabkommen von 1967 verstoßen, wie er vor einiger Zeit im Interview mit Ha’aretz erklärte.

Ist das Imperium womöglich längst im Empire angekommen? Obwohl McDonald’s vom Fastfood-Multi immer mehr zur Mc-Multitude mutiert, die einiges auf Vielfalt geben muss, um es sich nicht mit den Menschen vor Ort zu verderben, ist es Symbol für eine Standardisierung des Lebens geblieben, die vom Magen direkt aufs Hirn überzugreifen droht. Kinder werden doch mit Werbungen voller Milkshakes und goldschatzartig glänzender Fritten angelockt, während das abgepackte „Happy Meal“ nur Fette, Kohlehydrate und Zucker, aber kaum Ballaststoffe oder Vitamine besitzt. Die Unmengen an Fleisch, Frites und Brötchen vernichten Unmengen an fruchtbarem Boden, zerstören somit eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft, und Tiere kommen bei der enormen Hackfleischproduktion ohnehin auf grausamste Weise ums Leben. All diese Anschuldigungen, die englische McDonald’s-Gegner vor der Eingangstür einer Filiale auf Flugblättern verteilten, führten 1990 zu einer Unterlassungsklage, die nach neun Jahren Prozessdauer mit einem Freispruch für die Protestbewegung endete. Der Sieg ging an die Vegi-Ritter.

Mit den Fakten hat die nachhaltige Mäc-Abneigung hierzulande aber wenig zu tun. Sonst müsste Konsumenten neben McDonald’s auch jeder Schokoriegel im Supermarkt, jede fiese Großschlachterei und jeder Bauernhof, der für eine Outlet-Factory weichen muss, ein Gräuel sein – von bleischweren Ascorbinsäuren in der Mayo auf den Pommes ganz zu schweigen. Aber eine Currywurst geht immer, als kleine Mahlzeit zwischendurch darf es auch ein klebriger Knoppers sein. Das ist nicht nur instinktdeutscher Schnellimbissgeschmack, das ist Chefsache, versteht sich.

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