Scharon schasst Schass-Minister

Streit um Haushaltskürzungen erschüttert Israels Regierung. Neuwahlen nicht ausgeschlossen

JERUSALEM taz ■ „Ein Geschenk des Himmels“, hätte Tommi Lapid gedacht, würde er an übermenschliche Kräfte glauben. Da er das nicht tut, hat es den Parlamentarier, für den der Kampf gegen die Religiösen zentrales Thema ist, auf ganz profane Weise gefreut: Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten, in denen die orientalisch-religiöse Schass mitregierte, müssen vier Minister mit Kipa sowie drei Vizeminister ihre Sitze im Kabinett räumen. Ministerpräsident Ariel Scharon warf seine Partner aus der Koalition, nachdem sie die von Finanzminister Silwan Schalom vorgeschlagenen Haushaltskürzungen am späten Montagabend ablehnten. Die Abstimmung endete mit 47 zu 44 Stimmen gegen den Finanzminister.

Ohne die Religiösen bleiben der Regierungskoalition 60 der 120 Abgeordnetensitze. Lapid brächte sechs Mandate mit in die Koalition, sollte er sich mit Scharon über einen Beitritt einigen. Stein des Anstoßes für die Frommen ist die bevorstehende Kürzung des Kindergeldes um 24 Prozent für Familien, deren Väter nicht in der Armee dienten. Dazu kommen geplante Einsparungen im sozialen Sektor: Arbeitslosengeld soll es erst ab 20 für Frauen und ab dem 21. Lebensjahr für Männer geben. Kürzungen bei Behindertenzuwendungen und weniger Geld für Alte stehen an. Einsparungen im Erziehungssektor hielten sogar die Scharon-treue Ministerin Limor Livnat (Likud) von der Abstimmung über den Haushaltsplan fern.

Bereits vor gut zwei Wochen legte Schalom seinen Plan vor, mit dem er das Loch im Haushalt stopfen will. Der Finanzminister nahm die Militäroperation „Schutzwall“ zum Anlass. Doch ist die mit offiziell veranschlagten Kosten von 300 bis 400 Millionen Schekel (100 Millionen Euro) nur ein kleiner Fisch. Denn 13 Milliarden Schekel (4,2 Milliarden Euro) fehlen dem Haushalt. Vor acht Wochen, als die Regierung über das Budget für 2002 entschied, kritisierte Roby Nathanson vom „Israelischen Forschungsinstitut für Wirtschaft und Gesellschaft“, dass „dieser Etat nicht haltbar sein wird“.

Grund für das Defizit sind die Abkühlung der Weltwirtschaft und die Intifada. Internationale Investoren blieben aus. Ebenso die Touristen. Fast 20.000 Beschäftigte der Hotelbranche verloren ihren Job. Im Februar veröffentlichte das Statistikamt neue „Rekorde“ auf dem Arbeitslosenmarkt. Landesweit sind 10,2 Prozent ohne feste Anstellung. Um die ausbleibenden Steuereinnahmen auszugleichen, werden nicht nur kinderreiche Militärdienstverweigerer zur Kasse gebeten, auch der Normalbürger muss tiefer in die Tasche greifen. Zigaretten und Benzin sind 10 Prozent teurer geworden. Geplant sind eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine höhere Einkommenssteuer.

Dessen ungeachtet wächst die Sympathie für Premierminister Scharon, der sich nach dem Rausschmiss vier seiner Minister und einem noch immer nicht beschlossenen Haushaltsplan Gedanken über Neuwahlen machen muss. Jüngste Umfragen bestätigen, dass Scharon von seinem schärfsten Gegner Benjamin Netanjahu nicht allzu viel zu befürchten hätte. Der Rauswurf der Schass-Minister kommt gut an, ließ sich Scharon doch nicht von den religiösen Koalitionspartnern erpressen. Der Regierungschef hielt seine Mitarbeiter gestern gar dazu an, keine Telefonate von der Schass entgegenzunehmen. SUSANNE KNAUL