Der Giro ist an seinem Ende angekommen

Auch in diesem Jahr wird die Italien-Rundfahrt von Dopingfällen überschattet. Bisher hat es den bis dato Führenden Stefano Garzelli und Vorjahressieger Gilberto Simoni erwischt. Derweil spinnen die Fahrer Verschwörungstheorien

BERLIN taz ■ Friede, Freude und gutes Wetter hatte Bernhard Henrichs, Dompropst zu Köln, den Fahrern des Giro d’Italia in der letzten Woche gewünscht, als sie auf dem Roncalliplatz vor dem gothischen Monument der Rheinstadt Halt machten, um sich von dem Geistlichen segnen zu lassen. Eine gute Fahrt durch Gottes Welt wünschte Henrichs den Profis, vor allem aber, dass sie fair bleiben und die Regeln der Schöpfung beachten.

Der Wunsch des Propstes blieb ein frommer, kaum war der Giro von seiner Schleife durch Nordeuropa nach Italien zurückgekehrt, stellten sich die Gesegneten einmal mehr als gottlose Schurken und Halunken heraus. Am vergangenen Samstag, während der ersten Etappen auf dem Stiefel durch das Piemont, wurde bekannt, dass der Gesamtführende, Stefano Garzelli, mutmaßlich das Medikament Probenicid eingenommen hatte. Das Mittel dient bei medizinischer Anwendung der Entwässerung, wird von Sportlern aber dazu verwendet, die Einnahme von Anabolika zu verschleiern. Am Dienstag bestätigte sich der Verdacht per B-Probe, Garzelli wurde von der Italien-Rundfahrt ausgeschlossen. Gleichzeitig erreichte eine weitere Hiobsbotschaft aus den Dopinglaboren das Fahrerfeld. Vorjahressieger Gilberto Simoni war bei einer Trainingskontrolle der Welt-Anti-Doping-Agentur mit Spuren von Kokain aufgefallen. Nun droht auch ihm der Aus- schluss.

Harte Zeiten sind das für die Italien-Rundfahrt, die sich von der Dopingrazzia des vergangenen Jahres noch nicht erholt hatte. Damals hatte die italienische Sondereinheit zur Dopingbekämpfung NAS die Fahrerhotels auf den Kopf gestellt und Untersuchungen gegen rund 90 Personen, Fahrer wie Betreuer, eingeleitet. „Das vergangene Jahr war sehr schwierig für uns“, beschrieb Ennio Mazzei vom Veranstalter RCS die Folgen dieser Aktion, noch bevor die neuen Probleme in diesem Jahr zu Tage getreten waren. Nun wird die Zukunft für den Giro wohl noch schwieriger werden.

Denn seit 1996 ist kein Giro-Sieger mehr frei vom Dopingverdacht. Gegen Ivan Gotti, der 1997 und 1999 gewonnen hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil im vergangenen Jahr im Wohnmobil seiner Schwiegereltern verbotene Substanzen gefunden wurden. Marco Pantani, der 1998 gewann, wurde 1999, wie jetzt Garzelli, in Führung liegend, wegen Verdachts auf Epo-Missbrauch ausgeschlossen. Und wenn sich der Verdacht gegen Gilberto Simoni erhärtet, haftet auch an seinem Sieg vom vergangenen Jahr ein Makel.

Seit die italienische Justiz das Gesetz gegen den Sportbetrug als Handhabe hat, ist sie entschlossen, im Radsport aufzuräumen. Das erste Objekt ist der Giro, das bedeutendste Radrennen in Italien. Seine Glaubwürdigkeit ist wohl kaum mehr herzustellen, die Freude am Nationalsport ist dem Zuschauer gründlich verdorben. Die Führung von Jens Heppner aus Gera verkommt zur Randnotiz, von der leicht empörten Schlagzeile „Un Gregario in Rosa“ (ein Helfer in Rosa) der Gazzetta dello Sport einmal abgesehen. So weit ist es gekommen: dass Jan Ullrichs Wasserträger den Giro anführt.

Die Dopingverdächtigen verstricken sich indes in Verschwörungstheorien. Garzelli glaubt, seiner ganzen Mannschaft sei das Entwässerungsmittel untergemischt worden, das habe man schon daran sehen können, dass alle Mapei-Fahrer am Samstag ständig hätten pinkeln müssen. Der Radsport soll von dunklen Mächten, die hinter den Dopingfahndern stecken, kaputtgemacht werden, glauben die Fahrer. Die Gegenseite wiederum behauptet, die Fahrer selbst seien es, die sich gegen den Sport verschworen hätten und ihn kaputtmachten. Die Zuschauer mögen all das nicht mehr sehen: Der italienische Verbraucherschutzverband Codacon forderte am Sonntag den Abbruch des Giro. Am Ende ist er ohnehin.

SEBASTIAN MOLL