Recht auf Nahrung soll einklagbar werden

Im Vorfeld zum Welternährungsgipfel im Juni diskutieren Vertreter aus 70 Ländern derzeit in Berlin über einen Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung. NGOs loben den Vorschlag: So werde die Bekämfpung des Hungers messbar

BERLIN taz ■ Was Menschenrechtsgruppen und Entwicklungsverbände schon lange fordern, hat jetzt in Renate Künast eine Fürsprecherin gefunden: ein Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung. Die Verbraucherministerin hatte diese Woche Vertreter aus 70 Ländern nach Berlin eingeladen, um im Vorfeld des Welthungergipfels im Juni in Rom über einen solchen Kodex zu diskutieren. Auch Mitarbeiter der zuständigen UN-Organisation FAO und der Menschenrechtsgruppe Fian nahmen an dem Treffen teil. „Hunger ist nicht nur die Verletzung eines fundamentalen Menschenrechts“, sagte Künast gestern. „Er ist auch eine Ursache für Kriege und Konflikte, die bisher nicht mit dem nötigen Nachdruck bekämpft wird.“

Der geplante Verhaltenskodex soll eine Grundlage liefern, auf der jedes Unterzeichnerland ein nationales Gesetz zum Recht auf Nahrung erlässt. Der Kodex formuliert Kriterien, die den Kampf gegen den Hunger messbar machen. „Bis jetzt funktioniert das so: Pünktlich zu jeder FAO-Konferenz schreibt jedes Land irgendwelche Zahlen zum Thema Ernährung auf und erwähnt dabei hauptsächlich die positiven Beispiele“, kritisierte Fian-Mitarbeiter Michael Windfuhr gestern. „Ein Verhaltenskodex brächte Substanz in die Überwachung.“ Jeder Bürger hätte erstmals die Möglichkeit, ein bestimmtes Verhalten des Staates einzuklagen.

So könne es zum Beispiel „nicht angehen, dass tausende von Menschen von ihrem Ackerland vertrieben werden, weil ihre Regierung dort einen Staudamm bauen will“, so Windfuhr. Oder dass Frauen vom Erbe ausgeschlossen sind und ein Stück Land aus den Händen der Familie gegeben wird, weil alle männlichen Angehörigen an Aids gestorben sind – ein Problem, das vor allem im südlichen Afrika immer gravierender wird.

Fian und die kirchlichen Entwicklungsdienste haben schon 1996 einen Entwurf für einen solchen Kodex vorgelegt. Die USA lehnten den Vorschlag damals ab und auch die deutsche Delegation unter CDU-Landwirtschaftsminister Borchert habe sich „störrisch“ gezeigt, monierten Nichtregierungsorganisationen damals. Die Haltung der USA wird sich auch beim diesjährigen Gipfel nicht ändern, weil sie traditionell dagegen sind, soziale und kulturelle Rechte gesetzlich zu verankern.

Deutschland hingegen habe eine Vorreiterrolle übernommen, lobt Fian-Mitarbeiter Martin Wolpold-Bosien: „Das ist der Energie zu verdanken, die mit der grünen Ministerin Künast an die Spitze des Ministeriums gekommen ist.“ KATHARINA KOUFEN

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