„Jede Krise ist eine Chance“

CDU-Fraktionschef Frank Steffel über sein schlechtes Image, seine Ambitionen, Christoph Stölzls Personalpolitik und wie gut den Berliner Christdemokraten die Erfahrung der Opposition tut

von STEFAN ALBERTI
und ROBIN ALEXANDER

taz: Herr Steffel, am Samstag wählt die Berliner CDU Christoph Stölzl zum Vorsitzenden. Warum eigentlich nicht Sie?

Frank Steffel: Zum jetzigen Zeitpunkt ist es richtig, eine breite Aufstellung zu wählen: Über die zwei Personen Stölzl und Steffel hinaus gibt es viele neue Köpfe und auch neue Gesichter. Wir machen den schweren Versuch, die CDU in den nächsten Jahren zu profilieren und wieder an die Regierung zu führen.

Viele in Ihrer Partei sagen, gewollt hätten Sie schon.

In Parteien wird immer viel spekuliert. Ich habe als Fraktionsvorsitzender immer gesagt, dass ich gut ausgelastet bin – und habe keinen persönlichen Ehrgeiz gehabt, mir über dieses Amt hinaus weitere Arbeit zu suchen. Und ich freue mich darüber, dass Christoph Stölzl das Ehrenamt des Landesvorsitzenden übernehmen will.

Sie haben aber nicht für Stölzl geworben, sondern für sich selbst.

Das ist Unfug. Ich habe für Erneuerung und Aufbruch in der Berliner CDU geworben. Unsere Aufgabe ist es, die CDU fit zu machen für die nächsten Jahre.

Stölzls erste Personalentscheidung war es, Verena Butalikakis als Generalsekretärin vorzuschlagen. Die konnten Sie ja im vergangenen Sommer gerade noch verhindern.

Damals ging es um eine kommissarische Besetzung, bei der ich tatsächlich der Ansicht war, dass Joachim Zeller die bessere Lösung war.

Dann ist Butalikakis jetzt also zweiteWahl?

Nein, jetzt haben wir eine ganz andere Situation: Wir haben keinen Wahlkampf, Eberhard Diepgen ist nicht mehr Landesvorsitzender, und Zeller ist wieder Bezirksbürgermeister von Mitte geworden. Als stellvertretender Parteichef wird Joachim Zeller weiter eine herausragende Rolle spielen, weil ich ihn für einen ganz wesentlichen Repräsentanten der Berliner CDU halte.

Es fällt auf, dass Sie viel Gutes über Zeller sagen, aber nichts über Butalikakis.

Doch. Frau Butalikakis ist eine engagierte Frau und – was ich schon mal grundsätzlich gut finde – die erste Generalsekretärin eines Landesverbands in Deutschland. Butalikakis ist zudem eine insofern sinnvolle Ergänzung, weil sie nicht aus der Landtagsfraktion kommt, sondern voraussichtlich ab Herbst Bundestagsabgeordnete ist.

Kann sich die CDU eine schwache Kandidatin auf einem Posten leisten, gerade wenn Stölzl Kulturstaatsminister werden sollte und dann weniger Zeit für den Vorsitz hätte?

Erst mal wird Christoph Stölzl am Samstag Parteivorsitzender der Berliner CDU. Dann hoffen wir gemeinsam, dass wir die Bundestagswahl erfolgreich abschließen. Was danach kommt, das werden wir sehen. Christoph Stölzl weiß genau, wie er mit Frau Butalikakis die Arbeitsteilung vornimmt.

Wenn es nächsten Monat Wahlen in Berlin gäbe, wer wäre Spitzenkandidat der CDU? Stölzl als Parteichef oder Sie als Fraktionsvorsitzender?

Wir tun gemeinsam alles dafür, uns programmatisch, organisatorisch und personell auf eine Auseinandersetzung mit Rot-Rot vorzubereiten. Bis zum Frühjahr werden die Vorstände in den Orts- und Kreisverbänden neu gewählt. Danach wollen wir eine frische, dynamische, weltoffene CDU präsentiert, die dann auch wieder das Vertrauen der Menschen gewinnt.

Das klingt fast so, als hofften Sie nicht auf ein schnelles Ende von Rot-Rot, weil die CDU derzeit nicht regierungsfähig ist.

Ich glaube in der Tat, dass der Union die Opposition jetzt gut tut. Wir müssen die Chance jetzt nutzen – in jeder Krise liegt eine Chance – und uns regenerieren. Da ist noch einiges zu tun. Ich habe aber das Gefühl, dass wir den Tiefpunkt hinter uns haben und im letzten halben Jahr gut vorangekommen sind.

Was muss sich denn inhaltlich ändern?

Die Ausländerpolitik der Berliner CDU beispielsweise. Wir müssen die Integration der hier lebenden Nichtdeutschen stärker zu unserem Thema machen. Wer sich auf die Frage der Zuwanderung reduzieren lässt, sich aber nicht mit gleicher Leidenschaft um die Integegration der hier lebenden Ausländer kümmert, wird in Berlin langfristig nicht mehrheitsfähig sein wird.

Mehrheitsfähig wäre die CDU gegen Rot-Rot nur gemeinsam mit den Grünen. Wie läuft denn die Zusammenarbeit in der Opposition?

Das menschliche Verhältnis zwischen den Grünen und der neuen CDU-Fraktion hat sich deutlich verbessert. Beide Parteien haben erkannt haben, dass die Konflikte der 80er- und 90er-Jahre der Vergangenheit angehören. Die Berliner Grünen werden sich nach meiner Einschätzung sehr bald noch stärker verändern, wenn sie nach der Bundestagswahl nicht mehr der Bundesregierung angehören. Sie werden dann das durchmachen, was die Berliner CDU – vom Wähler gewollt – jetzt an Neuaufstellung und Erneuerung vornimmt.

Aha.

Schon jetzt besprechen wir gemeinsame Gegenentwürfe, wenn der rot-rote Senat Fehler macht. Es gibt aber Differenzen, beispielsweise in der Innenpolitik.

Rot-Rot ist eine Formation, die ihre Fraktion zum ideologischen Widerspruch reizt. Glauben Sie, dass Ihre Leute dieser Versuchung manchmal zu sehr erliegen?

Ich hoffe, dass wir das nicht mehr tun. Ich werde mich nicht primär mit der Vergangenheit der PDS beschäftigen, sondern damit, was sie heute im Senat leistet. Wir werden niemanden davon überzeugen, CDU zu wählen, wenn wir erklären, dass die PDS die umbenannte SED ist.

Klaus Wowereit, Gregor Gysi und ihr rot-roter Senat geben in der Öffentlichkeit derzeit kein gutes Bild ab. Trotzdem haben beide nach wie vor deutlich höhere Sympathiewerte als Sie. Wie erklären Sie sich das?

Im Wahlkampf wurde ein Bild von mir gezeichnet, das nicht dem echten Frank Steffel entspricht. Dies zu verändern, ist mein Ziel. Daran arbeite ich.