piwik no script img

unterm strich

Einen populären Preis erhalten hat in Tschechien auch Helena Vondráčková, die zu Zeiten des Kommunismus zu den größten Popstars des Landes zählte: Die 55-Jährige wurde kürzlich mit dem prestigeträchtigen „Hall of Fame“-Preis der tschechischen Musikindustrie bedacht (der im Original sicher einen anderen Namen trägt, als ihn die BBC kolportiert), gleichzeitig wurde sie zur „Sängerin des Jahres“ gewählt. Alles Anzeichen also für ein erfolgreiches Comeback also, zumal die Sängerin in Tschechien die Veröffentlichung eines Sammelalbums ihrer größten Hits – von 1964 bis heute – plant und ihre jüngsten Konzerte auf große Resonanz stießen. Ihre glanzvolle Rückkehr auf die Bühne hat allerdings nicht nur positive Reaktionen hervorgerufen: Manche tschechischen Kritiker erinnern sich nur zu gut, wie die populäre Sängerin dem Regime einst als Aushängeschild diente. Der Journalist Jan Rejzek warf der Sängerin in einem Artikel sogar vor, sie habe die Gegencharta unterschrieben, die der kommunistische Staat der Charta 77 der tschechischen Dissidenten von 1977 entgegengesetzt hatte. Helena Vondráčková bestreitet das und zog gegen den Vorwurf der Kollaboration sogar vor Gericht. Verteidigt wurde sie dort von Hana Marvanováa, der Vorsitzenden einer tschechischen Partei. Der Streit über ihre Vergangenheit ist ein Zeichen dafür, dass manchen Kritikern nicht ganz wohl dabei ist, wenn sie sehen, wie ungebrochen manche Show-Ikonen von gestern wieder gefeiert werden. In den vergangenen Jahren wurden in Tschechien etliche TV-Shows aus den 70ern und 80ern reaktiviert und wieder ins Programm genommen, auch manche Stars jener Ära sind wieder auf den Fernsehschirm zurückgekehrt. Der Journalist Pavel Klusak sieht deswegen eine regelrechte Nostalgiewelle am Werk, die alte Showbusiness-Veteranen aus der Zeit der kommunistischen Diktatur wieder ins Rampenlicht spült. Er erklärt sich das mit einer Sehnsucht breiter Schichten nach einer Zeit, in der ein totalitärer Staat seinen Bürgern doch eine Sicherheit und einen gewissen Minimalkomfort garantieren konnte.

Weit weniger umstritten sind die Preisträger, die hierzulande zu verkünden sind: etwa der Schriftsteller Patrick Roth, der den Literaturpreis der Stadtsparkasse Düsseldorf erhält. Ansonsten ist der Nachrichtenticker voll mit Meldungen aus Kleinstädten, die Besucher mit Kultur in ihre Region locken wollen. So rollt im Kreis Spree-Neiße die „zweite Internationale Folklorelawine“ durch den Spreewald, und in Brandenburg/Havel werden am Wochenende die zehnten Schultheatertage eröffnet. Und warum auch nicht?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen