Die Jetztzeit gehört Möllemann

Vorwürfe aus der eigenen Partei und vom Zentralrat der Juden stören FDP-Vize überhaupt nicht. Seine Kritiker Hirsch und Hamm-Brücher ignoriert er – sie seien sowieso Vergangenheit. Mit Karsli hofft er auf viele Muslim-Stimmen

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Heute können sich die Protagonisten im Machtkampf bei der FDP die Meinung geigen: Parteichef Guido Westerwelle, sein Vize Jürgen Möllemann und Fraktionschef Wolfgang Gerhardt treffen sich zur Präsidiumssitzung in Berlin. „Natürlich ist er dabei“, sagte Möllemanns Sprecher der taz. Aus dem Umfeld seines Stellvertreterkollegen Walter Döring war gestreut worden, Möllemann werde sich nach den Antisemitismusvorwürfen gegen ihn und seinen Schützling Jamal Karsli drücken.

Doch das würde nicht zum Stil des nordrhein-westfälischen Haudraufs passen. Die Affäre Karsli hält Möllemann für beendet, nachdem der umstrittene Landtagsabgeordnete auf eine FDP-Mitgliedschaft verzichet hat. Dass Karsli weiter in der FDP-Fraktion mitarbeiten darf, obwohl er Israel unter anderem „Nazimethoden“ vorgeworfen hatte, daran lässt Möllemann nicht rütteln: „Der Beschluss steht.“ Die Kritik an seinen eigenen Ausfällen gegen den Vize des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, scheint Möllemann nur zusätzlich zu motivieren. „Im Moment geht’s mir richtig gut“, betonte Möllemann am Mittwochabend in Bremen, wo er sich von 500 Anhängern im Deutsch-Arabischen Club feiern ließ. Auch gestern hielt er sich keineswegs zurück und schickte stattdessen seine Kritiker verbal ins Altersheim: „Die Bedeutung von Politikern wie Hildegard Hamm-Brücher oder Burkhard Hirsch liegt in der Vergangenheit, nicht in der Jetztzeit.“

Hirsch und Hamm-Brücher, aber auch andere FDP-Politiker wie die bayerische Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatten die Aufnahme Karslis in die FDP-Landtagsfraktion heftig kritisiert. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Dirk Niebel sprach gegenüber der taz von einem „schweren politischen Fehler“. Hamm-Brücher schimpfte über einen „faulen Kompromiss“ und warf Möllemann vor, bewusst „im trüben rechten Wählerteich gefischt“ zu haben. Ob sie ihre Drohung wahr macht und aus der FDP austritt, ließ sie gestern offen. Sie wolle die Präsidiumssitzung abwarten.

Dort wird sich Möllemann unangenehmen Fragen stellen müssen. „Das ist der Ort, an dem das Thema jetzt besprochen werden sollte“, ließ sein alter Gegenspieler Gerhardt wissen – und es klang wie eine Drohung.

Doch nicht nur Möllemann steht in der Kritik. Auch Parteichef Westerwelle. Dass er keine Einwände gegen den Beschluss der NRW-FDP erhoben hat, Karsli mitarbeiten zu lassen, stößt beim Zentralrat der Juden auf Unverständnis. Der Vorsitzende Paul Spiegel erklärte, der von Westerwelle mitgetragene „Kompromiss“ sei eine „Mogelpackung und Ohrfeige für alle anständigen Demokraten“. Statt sich klar von den antisemitischen Äußerungen Möllemanns und Karslis zu distanzieren, „versucht man für sich eine antiisraelische und antisemitische Stimmung am rechten Rand wahltaktisch auszunutzen“.

Im FDP-Präsidium wird es auch darum gehen, in welcher Form Karsli mitarbeiten darf. Ehrenvorsitzender Lambsdorff wies ihm die Rolle eines „Hospitanten“ zu und verlangte, Karsli dürfe nicht für die FDP sprechen. Möllemann verwahrte sich gegen Einmischung von außen und verriet, was er sich von dem neuen Kollegen erhofft: „Karsli wird mir persönlich zuarbeiten bei der Aufgabe, 800.000 wahlberechtigte Muslime in Deutschland anzusprechen.“