Für die Denker von morgen

■ In Findorff wird im Juli das erste Geburtshaus Bremens eröffnet – Hebammen sorgen dort dafür, dass die Geburt nicht anonym ist wie im sterilen Krankenhaus-Kreißsaal

Beim Begriff Geburtshaus denken viele Leute an verstaubte, alte Buden, in denen irgendwann einmal berühmte Menschen gewohnt haben: Der kleine Goethe oder der noch zwergenhafte Beethoven sollen hier zur Welt gekommen sein. Davon zeugen dann Ölgemälde, Tagebücher oder Möbel, die niemand anfassen darf.

Aber es gibt auch Geburtshäuser, die im Heute leben. Dort geht es nicht um tote Dichter und Denker – die sollten hier aber trotzdem zur Welt kommen –, sondern im wahrsten Sinne des Wortes um das Gebären. Ihren ersten Schrei müssen Babys längst nicht mehr im sterilen Kreißsaal von sich geben.

Ab dem 1. Juli gibt es auch in Bremen ein Geburtshaus. Auf insgesamt 400 Quadratmetern finden sich dort unter anderem ein Gruppenraum, ein Badezimmer mit einer großen Wanne, eine Wartezone und – klar – der Geburtsraum. Dort wird nicht nur das Baby zur Welt gebracht. Die Eltern können nach der Geburt auch für einige Stunden dort bleiben, „um ihr Kind in Ruhe zu begrüßen“, wie die Pressesprecherin Dorothee Klaes sagt.

Gebären ist nicht die einzige mögliche Beschäftigung im Geburtshaus. Im Gruppenraum halten die sechs Hebammen Kurse ab: Yoga für Schwangere zum Beispiel, Säuglingspflege oder Ge-burtsvorbereitungskurse.

Gegründet worden ist das Geburtshaus von der Hebammen-Praxis Bremen. Eine von ihnen ist Monika Silberberg. Sie berichtet: „Eine Klinik ist vielen Eltern zu anonym.“ Im Geburtshaus dagegen ist nur eine Hebamme für die Mütter zuständig. Sie ist bei der Geburt dabei und auch für die Vorsorge zuständig. „Eltern und Hebamme lernen sich über Monate kennen“, unterstreicht Silberberg.

„Bei der außerklinischen Geburt herrscht mehr Ruhe“, erklärt Kollegin Anne Wallheinke den Vorteil von Geburtshäusern und Hausgeburten. Außerdem hätten Studien gezeigt, dass beide Möglichkeiten „unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren genauso sicher sind wie die Klinik“. Sollte doch ärztliche Hilfe notwendig sein, ist es möglich, die Gebärende in eines der Krankenhäuser in der Nähe zu bringen. „Ein Anruf genügt, und wir können die Frauen rüberfahren“, sagt Anne Wallheinke. Dies solle nicht im Krankenwagen, sondern im Privatauto oder im Taxi geschehen. „Die Verlegungen sind eher undramatisch und müssen in der Regel nicht schnell sein.“

Einige Risiken werden von vornherein ausgeschlossen. Zwillinge etwa dürfen nur im Krankenhaus das Licht der Welt erblicken, genau wie Kinder mit Herzproblemen oder für Geburten aus Steißlagen. Das Alter der Mütter spielt keine Rolle, auch Frauen über 35 Jahren werden im Geburtshaus aufgenommen.

Im Geburtshaus können die Mütter außerdem wählen, wie sie ihr Kind zur Welt bringen wollen. „Das entwickelt sich während der Vorsorge“, sagt Anne Wallheinke, „die Frauen müssen selber wissen, was für sie das Beste ist.“ So muss der Ort des Geschehens nicht unbedingt der Geburtsraum sein. Auch die große Badewanne ist da. Die Qual der Wahl ist eine der Stärken des Geburtshauses. „Der Vorteil ist, dass die Geburt hier selbstbestimmter als im Krankenhaus ist“, sagt Monika Silberberg. Anne Reinert

Das Geburtshaus befindet sich in der Sommerstraße 20, Tel.: 34 80 01