Sturmgeheul

■ Opulent: Die Kammerphilharmonie mit Trevor Pinnock und Grigori Sokolov

Sogar ein Sonderkonzert ist nahezu ausverkauft: Ein gutes Zeichen für die nicht nachlassende Qualität der Konzerte der Deutschen Kammerphilharmonie, die in der Regel eine unglaublich gutes Gespür für die Auswahl der DirigentInnen und SolistInnen hat.

Dieses Mal erklang das – allerdings neoklassiszistisch nervende – Concerto in D von Igor Strawinski, das erste Klavierkonzert von Beethoven und die Schottische Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, was wiederum den sinnlos-beliebigen Titel „Reisepost“ provozierte.

Trevor Pinnock, einer der herausragenden Dirigenten der historischen Aufführungspraxis, verficht wie viele seiner Kollegen keine Dogmen. So wählte man für das Klavierkonzert den fantastischen Steinway-Flügel, den das einstige Wunderkind Grigori Sokolov spielte. Etwas erschreckend, wie Sokolov sich mit seinen gerade fünfzig Jahren marionettenartig auf seinen Platz zubewegt, wunderbar hingegen, dass sein Spiel von einer jugendlichen Frische und quirligen Energie geprägt war. „Sehr viele Schönheiten“ bestätigte die Wiener Uraufführungskritik dem Werk, und die wurden in aller Reichhaltigkeit von Sokolov und Pinnock ausgekostet.

Sokolov, den man in seiner originellen Ernsthaftigkeit auch den russischen Glenn Gould genannt hat, spielt ein herrliches tropfenartiges Non-Legato, das sich nahtlos in das durch die Bläser so farbenreiche Spektrum des Orchesters einfügt.

Die Wiedergabe von Mendelssohns genialer „Schottischen Sinfonie“ bewies in hohem Grade Trevor Pinnock als Interpret der romantischen Musik. Gerade das in dieser Sinfonie – die der Komponist für seine einzige vollgültige hielt – geforderte lange Aushalten in und auf einer Hochdruckstimmung, das sorgfältigstes Disponieren verlangt, wenn es nicht ins Leere gehen will, bewältigte er überragend und voller Spannung, gefolgt vom nicht nur begeisternden, sondern auch offensichtlich vom Dirigenten begeisterten Orchester: melancholische Stimmung, Heulen des Sturmes, reißender Regen und immmer wieder die Lieder der Hochländer waren wie in einem Film als realistische Tonmalereien regelrecht zu sehen. Lang anhaltender Beifall.

Ute Schalz-Laurenze