Sommernachtstraum

■ Nicht nur Lustiges lud zum Schenkelklatschen ein

„Die Hölle wird zum Himmel mir, wenn ich durch seine Hand krepier.“ Ein schöner Satz, ein schlechter Reim, eine neue Inszenierung der Bremer Shakespeare Company (bsc): „Ein Mitsommernachtstraum“.

Thema: Liebe, Paare: vier, Verwirrung: groß. Schließlich träufeln die fiesen Elfen mal diesem, mal jener ein Kraut ins Auge, was den nächstbest Erblickten zum Objekt bedingungsloser Hingabe macht. Also: Man liebt den dann. Bis ein neues Kraut ins Auge kommt. Die Folge: „Bevor Demetrius in Hermias Augen sah, stand ich im Hagel seiner Schwüre.“ Oder war es umgekehrt? Da muss man erstmal durchblicken, wer jetzt wie heißt und wen liebt. Egal. Die Paarungen wechseln ja sowieso gleich wieder, womit uns der Dichter unerbittlich demonstriert: Liebe ist lediglich eine Funktion der Sichtweise.

Shakespeares haben diesem Sommernachtstraum – wie angekündigt – einiges Alptraumhafte abgewonnen. Der „Wald vor Athen“ ist ein mooriges Loch, durch das die Elfen als larvige Erdwürmer kriechen (Ausstattung: Heike Neugebauer). Deren König Oberon (Harald Volker Sommer) hockt schlammverkrustet auf einem umgestürzten Urwaldriesen, ist ein getriebener Tyrann, der andere quält, weil er selbst so viel leidet. Denn, Tragik kann sich ja an so vielem entzünden: Seine Frau Titania hat einen Knaben, den hätt' er auch gern. In Puck (Cornelia Flöge) hat Oberon immerhin eine peitschende Domina als Dienerin (ist das jetzt ein Widerspruch?). In Körperspannung und Schadenfreude sind sie jedenfalls ein starkes Gespann.

Die Menschen sind auch schlecht: Da gibt es absolute patriarchale Machtansprüche („Du sollst zu Deinem Vater aufsehen wie zu Gott“) und destruktives Liebesleben „Ich gewann dein Herz, dir Wunden schlagend.“ Regisseur Sebastian Kautz hat es überzeugend geschafft, diesen Shakespeare-Klassiker den Fängen reinen Komödiantentums zu entreißen.

Ziemlich daneben allerdings: Zettels Verwandlung zum Esel (Zettel ist Athener Handwerker und ein weiteres Opfer der Puk'schen Zauberlust. Elfin Titania soll ihn lieben müssen, um besonders gefoppt zu sein). Schon klar, dass man Zettel keine Langohren annäht und IA schreien lässt. Das wäre allerdings immer noch besser gewesen als die Parodie eines Behinderten, für die sich die Truppe entschieden hat.

Martin Schwanda muss conterganmäßig über die Bühne humpeln und dämliche Worte sabbern – ein so guter Komödiant hätte sicher Phantasievolleres bringen können. So wird Monstrosität mit dem Verweis auf Alltägliches hergestellt. Titanias Ekel nach dem Erwachen aus dem Zauber hat eine zeigefingertaugliche Ursache: Mit so einem hat sie sich im Liebesrausch über die Bühne gewälzt – pfui Deibel.

Was – wer weiß – als Tabubruch des Themas „Sexualität von Behinderten“ gemeint gewesen sein könnte, gerät so zum schlechten Schulhof-Sketch: „Guck mal, der Spasti.“ Es ist ja nicht so, dass sich das bsc-Publikum nicht gerne auf die Schenkel haute.

Andere Sketche dagegen funktionieren. Denn, natürlich: keine bsc-Inszenierung ohne klamauk as can. Als depperte Handwerkerschar zeigt das weitgehend neue Ensemble besondere Spielfreude. Kautz' Regie hat die Figuren liebevoll mit kleinen running gags ausgestattet, deren bester – weil dezentester – Helenas Stolpern über die unsauberen Reime der deutschen Textübersetzung ist. Das hätte an Stolpersteinen für einen guten Theaterabend eigentlich gereicht.

Henning Bleyl

Termine und Karten: Tel.: (0421) 500 333.