Eintracht mit Tücken

Nach amerikanischem Vorbild zieht heute erstmals eine türkische Parade durch den Tiergarten. Doch innerhalb der Community ist „Türk Günü“ hoch umstritten, einige Organisationen nehmen nicht teil

von ALKE WIERTH

Trommeln und Flöten, bunte türkische Trachten, mit Fahnen, Luftballons und Blumen geschmückte Wagen und applaudierende Zuschauer – so soll es heute auf der Straße des 17. Juni aussehen, jedenfalls, wenn alles so läuft, wie es sich die Veranstalter des Türk Günü, des „türkischen Tages“, vorstellen.

Nach amerikanischem Vorbild wollen sie zum ersten Mal auch in Deutschland eine große Parade organisieren, die unter dem Motto „Friedensmarsch für die Integration – 40 Jahre Türken in Berlin/Deutschland“ für ein friedliches Miteinander von Türken und Deutschen werben soll.

Bereits im Vorfeld gestaltete sich allerdings dieses Miteinander als schwierig: Schon unter den zur Mitwirkung aufgeforderten türkischen Organisationen gab es Differenzen. Vorbehalte gegen einige der im Veranstalterkreis mitwirkenden Gruppen sind der Grund, warum viele türkische Organisationen an der Parade nicht teilnehmen werden. Die Türkische Föderation, die der nationalistischen türkischen Partei MHP nahe steht, taucht in der Liste mitwirkender Vereine ebenso auf wie ihre stärker religiös orientierte Abspaltung Nizam i Alem, die islamische Organisation Ditib, der deutsche Ableger des Amtes für religiöse Angelegenheiten der Türkei, oder der regierungstreue Atatürk-Gedenkverein.

Eigentlich fände er die Idee einer türkischen Festparade nicht schlecht, sagt Ahmet Iyidirli, Vorsitzender der sozialdemokratischen Föderation türkischer Volksvereine HDF. Teilnehmen wird seine Organisation aber nicht, denn „die Aktion könnte von Gruppen und Organisationen ausgenutzt werden, die nicht unbedingt zu einer vernünftigen Integration beigetragen haben.“

Deutlicher möchte aber niemand seine Kritik formulieren: Der Türkische Bund Berlin Brandenburg (TBB), die größte Dachorganisation von Türken in Berlin, lehnt gar jede Stellungsnahme zu seiner Nichtteilnahme ab. Dabei ist gerade die erklärungsbedürftig: hat doch Hakki Keskin, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD), jüngst in der Tageszeitung Hürriyet alle türkischen Vereine zur Teilnahme am Türk Günü aufgefordert. Der Türkische Bund Berlin Brandenburg ist nicht nur Mitglied der Türkischen Gemeinde, sondern gehört mit drei Vertretern auch zu den stellvertretenden Vorsitzenden bzw. zum erweiterten Vorstand der TGD.

Den nur hinter vorgehaltener Hand geäußerten Verdacht, es sei eigentlich die Türkische Botschaft, die den Türk Günü organisiert, weist Mitveranstalter Aydin Özsoy vom Berliner Verein „Türkische Minderheit“ weit zurück: „Ich wäre der Erste, der unter solchen Umständen an der Aktion nicht teilnehmen würde“, sagt der aktive Sozialdemokrat. Dass dem Organisationskomitee ein Büro im vom Konsulat betriebenen Türkischen Haus an der Urania zur Verfügung gestellt wurde, hält Mitorganisator Oguz Kayalar vom Verein Türkische Sozialdemokraten Berlin (TSD) für nicht ungewöhnlich: „Wir sind doch alle Türken!“

Kurdische Vereine werden am Türk Günü nicht teilnehmen, heißt es folgerichtig aus dem Kurdischen Zentrum Berlin. Dabei hätten einige sogar noch die passenden Wagen parat: vom Karneval der Kulturen am vorigen Wochenende. Drei kurdische Gruppen waren beim Karneval dabei, türkische Vereine haben nicht teilgenommen.

Drei Festwagen hatten auch die Veranstalter des Türk Günü bis Donnerstag organisiert, zehn sollen es eigentlich noch werden. Zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet werden erwartet. Sollte der türkische Festumzug ein Erfolg werden, möchten die Veranstalter ihn künftig einmal jährlich durchführen. Ob es dann bei dem Termin kurz nach dem Karneval der Kulturen bleibt, ist noch unklar. Am 25. Mai feiern Muslime auch den Geburtstag des Propheten Mohammed, und vier Tage später feiert man in der Türkei die Eroberung von Istanbul.

Türk Günü beginnt heute um 13 Uhr am Ernst-Reuter-Platz. Von dort zieht die Parade zum Brandenburger Tor.