Perlen und Raritäten für Liebhaber

Milchkaffe trinken, Zeitung lesen und dann ein Rad kaufen – das geht ab jetzt in der Fahrradkneipe „Krüger“. Und wer schon ein schmuckes Stück sein Eigen nennt, kann vom nächsten träumen oder mit anderen Liebhabern fachsimpeln

Holztische vor der Tür, innen warme Farben, Riesentresen, Kaffeemaschine – eigentlich eine normale Kneipe. Aber statt des üblichen Kekses liegt ein Mini-Wiener-Würstchen auf der Untertasse vom Kaffee. Und statt nach Cappuchino oder Tabak riecht es hier nach Gummi und ein bisschen nach Schmieröl.

Kein Wunder: Hier drin stehen jede Menge Fahrräder. Im „Krüger“ sind Räder ausgestellt wie in anderen Cafés Malerei oder Fotos – Berlin hat in der Lychener Straße seine erste Fahrradgalerie bekommen. Ideengeber Christoph Krüger betreibt ein paar Meter weiter mit Freunden ein richtiges Fahrradgeschäft – über den Kiez hinaus bekannt und ganzjährig überlaufen. Aber der 27-Jährige hat das Chaos dort satt: „Wir mussten die Leute rausschicken, nur um mal ein Rad vorzuführen.“ Deshalb der Plan: Die schönsten Neuräder und die Raritäten brauchen eine richtige Verkaufsfläche, denn: „Die gingen bisher nur unter.“

Für die Symbiose von Milchkaffee und Zweirädern sorgt Geschäftsführer Angelo. Er wechselt zwischen Tresen und Verkaufsgespräch. Die Bastler im Fahrradladen bauen jedem ein Wunschrad zurecht. Am beliebtesten sind die so genannten Hybriden: „Das ist ein stadttaugliches Rennrad, immer noch flink und wendig“, sagt Christoph. „Man muss gemütliche Räder bauen, die trotzdem schnell sind.“ Grundlage waren bisher gebrauchte Markenrennräder, die Christoph aus Holland holt. Die bekommen stabilere Reifen, gerade Lenker und Daumendruckschaltungen. So werden es temporeiche Street-Bikes. „Inzwischen bauen auch die Dänen solche feinen Sachen“, sagt Christoph. Deshalb holt er nun auch von dort Räder.

Neben den sieben Hybriden im „Krüger“ stehen vier Cruiser. „Das sind Beach-Fahrräder aus den USA, stammen ursprünglich aus der Surferzeit der 50er-Jahre“, sagt Christoph. Die Cruiser haben dicke Rahmen, Sättel und Reifen. Ohne Gangschaltung eignen sie sich für Strandnähe und zum gemütlichen Fahren – „etwa wie eine Harley Davidson“.

Christoph muss heute aufs Gewerbeamt. Er holt ein Schloss, hebt sich ein funkelndes Hollandrad Typ „Gazelle“ vom Verkaufspodest und entschwindet. Die „Gazelle“ wird schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut. Mit den fast wöchentlichen Fahrten zum niederländischen Händler landen viele solcher Klassiker in der Lychener Straße: „Diese Hollandräder“, sagt Angelo, „sind fürs Leben, etwas Grundsolides und Schönes.“

Gestängebremsen vorn und hinten, gefederte Ledersättel, Speichenschutz zum Zuknöpfen und klobige Chromlampen – diese Räder aus den 40er-Jahren sehen nach Museum aus, „und da gehören sie eigentlich auch hin“, sagt Angelo. Aber gemacht für feuchtes Seeklima, haben die Holländer unverwüstliche Rahmen und eine Ewiglackierung.

Stadtmenschen rät Angelo auch gern zum normalen City-Bike mit Nabenschaltung: „Das ist sauber, aufgeräumt, stressfrei“ – für Leute, die sich nicht an ölige Zahnkränze gewöhnen mögen. Solche Räder stehen drüben im „normalen“ Laden. Im „Krüger“ finden sich vor allem Exklusives – Räder von Trenga DE, Bergamont, Marine. Oder gar eine Besonderheit von Nishiki: ein Mountainbike mit großen 28er-Rädern, das „Bigfoot“. Was beim Sammeln und Umbauen von Rädern so auftaucht, dient im „Krüger“ der Bastleratmosphäre: alte DDR-Ersatzteile, Vorkriegswerkzeug. Hinten im Laden liegen in Glasvitrinen unter Scheinwerfern eine stählerne Brodie-Gabel, alte Standarten von Dürkopp oder Teile von Dura-Ace-Schaltungen, zehn Jahre alt. Sonst aber zählen große Namen und Preise weniger als vielmehr das „sinnig aufgebaute, komfortable Rad“, sagt Angelo. Damit wird das „Krüger“ zum Anlaufpunkt für „Freunde des schönen Fahrrads“.

MARGRET STEFFEN

„Krüger“, Lychener Straße 23, 10437 Berlin, Telefon (0 30) 74 75 91 26