Keine Torfköpfe in den Tütchen

Sammelwahn: Eine Woche vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft fehlen die Panini-Bilder der irischen Spieler

Mike Hammer ist genervt. „Ich habe 60 Päckchen aufgerissen, daraus exakt 360 wohl riechende Klebebildchen entnommen, habe sie nach Mannschaften geordnet in das Album eingeklebt – aber nicht auch nur eine einzige Fresse aus Irland.“ Hammer, vermutlich ein Pseudonym, ist im Fußball-WM-Fieber, und zwar die gefährliche Variante, die mit Sammelwut einhergeht.

Es geht um Panini, jene italienische Firma, die schon in meiner Jugend zu jeder Weltmeisterschaft Sammelalben herausgab, die mit Spielerfotos und Verbandswappen gefüllt werden sollten. Die bekam man, wie heutzutage, in kleinen Tütchen à sechs Stück. Je voller das Abum, desto geringer die Aussichten, Tüten mit fehlenden Bildern zu ergattern. Ich hatte damals schon den Verdacht, dass Panini bestimmte Bilder in kleinerer Auflage druckt, um den Tütchenabsatz anzukurbeln.

Mike Hammer meint das auch. „Die Paninis wollen einen glauben machen, alle Bilder seien in gleichen Stückzahlen produziert worden“, schreibt er. „Eine durchschaubare Lüge.“ Zum Glück gibt es eine Website, auf denen die empörten Sammler ihrer Wut Luft machen können: www.alles-bonanza.net/forum. Unter „Der Mensch und seine Dinge“ findet man das „Fuszball-Forum“.

Dort mischt sich auch ein Herr Weber ein – wohl auch ein Pseudonym, wer heißt schon „Herr Weber“: „Es gibt wirklich keine Bilder von Iren. Das ist doch kein Zufall! Da stecken die Käsköppe dahinter.“ Wahrscheinlich, denn die Iren haben den Niederlanden die WM-Teilnahme vermasselt. Mike Hammer ist noch optimistisch: „Ich werde sie finden, die Iren, jeden einzelnen“, schreibt er. „Wenn ich im Geschäft die Tüten betaste, werde ich sie mit ihren stoppeligen roten Haaren und den kantigen Gesichtszügen entlarven. Huahahahaha …“ Herrje, der Sammelbildchenwahn.

Doch ein gewisser Hausmacherleberwurscht, möglicherweise auch ein Pseudonym, raubt Mike Hammer alle Hoffnung. Er habe erfahren, dass der irische Fußballverband keinen Vertrag mit Panini abgeschlossen habe. „WM ohne Iren“, lamentiert der Mann mit dem Brotaufstrichnamen. „Das ist irre.“ Und Graumauser, auch das vielleicht nicht der echte Name, hat es aus anderer Quelle bestätigt bekommen: „Eben habe ich es im Radio gehört. Diese Iren!“ Aber Herrn Webers Freund hat wenigstens das irische Wappen bekommen und es mit Sekundenkleber im Album festzementiert, damit es ihm keiner abknibbeln kann.

Knappe Wamba – das Bildersammeln scheint anrüchig zu sein, da die Befallenen Pseudonyme benutzen – kann lesen, im Album stehe nun mal, dass Panini keine Rechte an den Bildern der irischen Torfköpfe habe, sie aber nach der WM kostenlos nachliefern werde. „Na also“, schreibt er. „Ganz umsonst aufgeregt.“ Es sei unwürdig, sich die Bilder schenken zu lassen, mosert Hausmacherleberwurscht: „Kaufen oder tauschen, basta.“

Als sich alle bereits in ihr irenloses Schicksal gefügt haben, meldet sich Granuaile aus der Schweiz: „Iren aufgetaucht!“ Granuaile war eine irische Piratenkönigin. Hat ihre Namensvetterin besondere Beziehungen zum irischen Fußballteam? „Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie mein Kumpel mit genüsslicher Miene Clinton Morrison in sein Heft geklebt hat“, schreibt sie. „Also scheint es sie zumindest in der Schweiz in sehr kleiner Zahl zu geben.“

Aufgrund dieser Enthüllung wird Granuaile sofort von Herrn Weber und von Graumauser angebaggert. Ersterer schmachtet nach Granuaile und tausend Schweizertütchen, Letzterer schmeichelt: „Granuaile ist schon der Hammer.“ Doch sie bleibt hart: „Mit Liebesgeständnissen kriegen Sie aus mir keine Panini-Tütchen raus.“ Dann fügt sie triumphierend hinzu, dass sie demnächst nach Dublin reisen würde, weil es dort bestimmt mehr Iren in den Tütchen gebe.

Herr Weber ist nun eingeschnappt: „Dann fotografiere ich die Iren eben mit der Polaroid während der WM vom Fernseher ab.“ Aber zur Sicherheit erkundigt er sich nochmal beim Panini-Bilderdienst und vermeldet danach ätschend: „Die Iren liegen ab sofort in den Packungen.“ Wie aber unterscheidet man die Tüten aus der irenlosen Ära von den frisch mit Iren gefüllten? „Kleiner Tipp“, rät Random Walk, der im wahren Leben eventuell anders heißt: „Nur bei Kiosken mit hohem Bilderumsatz einkaufen. So sinkt das Risiko. Haute bei mir gut hin.“ Es fehlen ihm nur noch acht Iren.

So stehen jetzt überall die Panini-Wahnsinnigen mit Strichlisten vor den Kiosken und beobachten den Tütchenverkauf. Was sagt der irische Fußballverband dazu? Gar nichts. Sämtliche Funktionäre sind bereits nach Japan gereist und haben die Paninitis-Erkrankten ihrem ungewissen Schicksal überlassen.

RALF SOTSCHECK