DIE DEUTSCHEN KULTUSMINISTER BLEIBEN BEI IHREM GLAUBEN AN NOTEN
: Thema verfehlt

Bisher ist das ganz einfach: Es heißt: „Setzen, Sechs!“ und jeder weiß, was gemeint ist. Noten entscheiden, wer Klassenprimus wird, wer sitzen bleibt und wer es in eine höhere Schule schafft. Kurz: Noten steht für Erfolg oder Misserfolg.

Genau das sollte nun endlich anders werden. Gestern haben die Kultusminister auf der Wartburg versucht, der Bedeutung von Noten eine neue multifunktionale Zukunft zu geben. Sie sollten nicht mehr allein Erfolgsanzeiger sein, sondern Eltern, Politik und Lehrern auch bei der Diagnose helfen, wie gut die Qualität von Schule und Unterricht ist. Das sind hehre Ziele. Sie könnten dem rückständigen deutschen Schulsystem helfen, sich endlich zu modernisieren. Schließlich hat die Pisa-Studie gezeigt, wie notwendig es ist zu wissen, unter welchen Bedingungen Lernen funktioniert. Doch leider sind die Kultusminister zwischen Vergangenheit und Zukunft hängen geblieben – denn über Noten lässt sich dieses Wissen nicht erschließen. Trotzdem wollen die Verantwortlichen weiterhin an zentralen Abschluss- und Übergangsprüfungen festhalten. Und die sind nun mal keine Instrumente differenzierter Diagnose, sondern haben eine ganz andere Funktion: Schülern den Aufstieg zu ermöglichen oder sie durch den Rost fallen zu lassen. Sein oder Nichtsein. Dahinter verschwindet das wirklich wichtige Wissen über die Schulen: Wie die Schülerzusammensetzungen sind, welchen Einfluss die Art des Unterrichts hat, welche Rolle die Qualifikation der Lehrer spielt.

Egal – Annette Schavan, Leitwölfin der Unions-Kultusminister, bleibt bei ihrem Credo: „Wir brauchen zentrale Abschlussprüfungen.“ Das hört sich zwar fast so an wie die zentralen Leistungsvergleiche, die Finnland und Schweden mit viel Erfolg praktizieren. In der fünften und neunten Klasse nehmen Schüler dort an Tests teil – die keine Konsequenzen für ihren Werdegang haben. Aber diese Vergleichstests erzeugen keine Noten für den Aufstieg, sondern Daten zum Auswerten. Unsere Kultusminister dagegen sind weiter zufrieden mit ihren Zensuren. Die sollen sie kriegen: Thema verfehlt, Vier minus. Und: Setzen! CHRISTIAN FÜLLER