Wettlauf der Kriegsherren

Morgen wählt Kolumbien einen neuen Präsidenten. Wer gegen ein militärisches Vorgehen gegen die linke Guerilla ist, hat nicht einmal eine Außenseiterchance

BOGOTÁ taz ■ So richtig will kein Streit aufkommen, obwohl am Sonntag ein neuer Präsident in Kolumbien gewählt wird. Amnesty International hatte zur Podiumsdiskussion über Menschenrechte geladen, und alle Kandidaten waren gekommen, und alle waren nett zueinander. Der Law-and-Order-Mann Álvaro Uribe stimmte dem Mitte-links-Kandidaten Eduardo Garzón zu, als dieser eine gerechtere Reichtumsverteilung im Land forderte. Vergessen, dass Uribe der Kandidat des Unternehmertums und der Landbesitzerklasse ist. Der Sozialliberale Horacio Serpa klatschte Beifall, als die Marktradikale Noemi Sanín eine bessere Bekämpfung der Korruption forderte. Nur auf die Feinheiten wurde Wert gelegt. Uribe weigerte sich vor der Veranstaltung, in der Mitte neben Garzón zu sitzen. Schnell wurden die Namensschilder ausgewechselt und Uribe saß von sich aus gesehen am rechten Rand. Feine Symbolik.

Die Stimmung hat sich geändert in Kolumbien. Noch vor vier Jahren versprachen alle Präsidentschaftskandidaten, das Land dem Frieden näher zu bringen, und Andrés Pastrana beeilte sich als gewählter Präsident in den Urwald zu fahren, um sich mit den Chefs der Guerilla zu treffen, noch bevor er den Amtseid geschworen hatte. Doch Pastrana fuhr zweigleisig und hatte eine Strategie für den Frieden und eine für den Krieg. Nach drei Jahren Gesprächen erklärte er Anfang des Jahres den Friedensprozess für beendet. So geht es im diesjährigen Wahlkampf nicht mehr um die Frage, wer dem Land den Frieden näher bringt, sondern darum, wer den Krieg am besten führt. Bei diesem bellizistischen Langstreckenlauf hat sich der ehemalige Gouverneur von Antioquia, Álvaro Uribe, am besten profiliert.

Uribe verspricht ein hartes Antiterrorgesetz, ohne Rücksicht auf internationale humanitäre Normen. Sein Credo: Für Terroristen darf es keine Gnade geben. Er will das Militär stärken und will eine Million Kolumbianer als nebenberufliche Polizeispitzel im Kampf gegen die Guerilla einsetzen. Denn gegen die bewaffneten Gruppen helfe nur „Autorität, Autorität, Autorität.“ Für solche Sätze darf sich Uribe, der den rechtsextremen Paramilitärs nahe steht, der Unterstützung der Industriellen und Unternehmer des Landes sicher sein. Mit Uribe als Präsidenten würde Kolumbiens Gewaltspirale beschleunigt.

Gegen solch rhetorisches Sperrfeuer wirkt Serpa machtlos. Abgekämpft hängt er in einem Sessel nach einer Fernsehaufzeichnung. Um halb fünf Uhr morgens ist er heute aufgestanden, vor ein Uhr nachts kommt er selten ins Bett. Mit halb geschlossenen Augen betet er sein Programm runter. Er warnt vor Uribes „totalem Krieg“, will aber ebenfalls mit dem Militär der Guerilla zu Leibe rücken. Ansonsten versucht Serpa sich auf dem Gebiet der Sozialpolitik zu profilieren. In Kolumbien leben 64 Prozent der Bevölkerung in Armut. Im vergangenen Jahr konnten über zwei Millionen Kinder nicht zur Schule gehen, etwa 18 Prozent der Landbevölkerung sind Analphabeten.

In einigen Regionen hat die Guerilla angekündigt, die Wahlen zu sabotieren und die Wahlurnen zu verbrennen. Und die rechten Paramilitärs drohen in den von ihnen kontrollierten Gebieten, für jede Stimme, die nicht für Uribe abgegeben wird, einen Menschen zu erschießen.

Dabei verhallen die Rufe des Pazifisten Garzón nach einer friedlichen Lösung des Konflikts. Er hat noch nicht einmal eine Außenseiterchance. Sollte er am Sonntag gut abschneiden, könnte er höchstens Uribe und Serpa einen zweiten Wahlgang in drei Wochen bescheren. Dann will er keine Empfehlung abgeben. Und vielleicht bleibt er sogar zu Hause. INGO MALCHER