Schweden-Happen nicht zu schnappen

In Fischerhemden feiern die Kieler Titelangler ihre zehnte Deutsche Meisterschaft und preisen ihren Fang auf Plakaten an: „Heute frisch, Meisterfisch“ – Schwedische Routiniers sichern in den letzten Minuten einen 26:24-Erfolg über Flensburg

Die Schweden sind so unglaublich abgekocht, die ziehen zum Schluss immer an

von B. KÖRBER und O. GÖTTLICH

Tatsächlich. Magnus Wislander ließ die Sau raus. Der 38-jährige Welthandballer des Jahrhunderts, der mit dem Saisonende seine 12 Jahre lange Zeit mit dem THW Kiel beenden wird, wurde eindeutig mit emotionsreicher Mimik sowohl beim Lachen, als auch beim Weinen ertappt. Seine siebte und letzte Meisterschaft mit den Zebras haute selbst den knochentrockensten unter den in Kiel angestellten Schweden um. Und das, obwohl die erfolgsverwöhnten Nordländer Olsson, Petterson, Lövgren und eben Wislander nach dem Gewinn der Europameisterschaft und dem EHF-Pokal nun zum dritten Mal eine Trophäe in die Höhe strecken durften.

Doch Wislander wäre nicht Wislander, wenn er nicht trotz aller Feierlichkeiten in melancholische Nachdenklichkeit verfallen würde. Und so war es am Samstag die Mixtur aus beidem, die auf einmal als Tränen aus seinen Augen kullerte. „Ich bin froh und traurig zugleich“, sagt Wislander und dachte nach dem Erfolg bereits drei Umdrehungen weiter. Denn nicht etwa der direkte Zusammenhang Meister gleich Freude und Abschied gleich Trauer kommt ihm in den Sinn, sondern der schlichte Gedanke, dass „der Champions League-Titel der einzige ist, der mir noch fehlt“. So ist er, dem das Heimweh letzlich stärker zusetzt, als der Verzicht auf weitere Titel. So ist die zehnte Meisterschaft für den THW auch nur die „zweitschönste“ für Wislander – „nach dem Titel von 1994“, dem ersten von Kiel nach 31 Jahren.

Eine unglaubliche Erfolgsserie startete der THW gemeinsam mit seinem Spielmacher und trotzdem träumt Wislander von mehr Trophäen. „Ich möchte die Meisterschale gern mit nach Göteborg nehmen.“ Dass der Deutsche-Handball-Bund dem allerdings zustimmen wird, ist kaum denkbar. Wenn es aber nach Trainer Noka Serdarusic ginge, wäre die Schale längst in Wislanders Reisegepäck. „Es gibt Leute, die nicht zu ersetzen sind“, sagt der Coach, für den die Arbeit mit dem kaltschnäuzigen Schweden nicht immer einfach war. „Uns verbindet eine Hassliebe“, meinte Serdarusic vieldeutig.

Zwar ist Wislander nicht mehr der Torgarant, der er in jungen Jahren war, seine Abgebrühtheit am Kreis ist aber einmalig. In entscheidenden Phasen ist er zusammen mit Olsson und Lövgren der Halt des Teams. „Die Schweden sind so abgekocht, die ziehen zum Schluss immer an“, sagte Flensburgs Trainer Rasmussen, dessen Schützlinge es dem Nordrivalen in der hitzigen Partie nicht leicht machten.

Sieben Minuten vor Schluss hatten die Flensburger dank einer guten taktischen Leistung noch geführt, doch dann wurden sie nervös und verwarfen reihenweise Torchancen. Routiniert und hochkonzentriert setzte der Abonnementmeister dagegen. Der ausgeliehene kubanische Star Julio Fis setzte zweimal zum Rückraumwurf an und machte die entscheidenden Tore. „Da haben sie uns ihre Grenzen aufgezeigt“, sagte Rasmussen. Schließlich waren es auch die starken Nerven eines weiteren Schweden, Johan Pettersson, der, mit seinen fünf verwandelten Siebenmetern, seinem Mannschaftskameraden einen schönen Abschied bereitete. Bei der anschließenden Feier auf dem Kieler Rathausmarkt wurde Wislander von 15.000 Menschen barfuß über den Platz getragen.