Rocko Schnaidoo, oder was?!

■ Ein selbsternannt subversiver Entertainer: Herr Schamoni im Lagerhaus

Eigentlich wollte Rocko Schamoni ein wenig aus seinem Buch vorlesen, bevor er seine Band „Jogging Mystique“ auf die Bühne rief. Und er las dann auch ein Kapitel aus „Risiko des Ruhms“, wobei er beständig von einem Herrn in der ersten Reihe gestört wurde, der lieber Musik hören wollte. Von Schamonis neuem Album „Der schwere Duft der Anarchie“.

Seit „Showtime“ ist Schamoni einer, der das Beste aus seiner Vergangenheit macht. Als Urgestein des Hamburger Punk-Klüngels und Mitbetreiber des „Goldenen Pudels“ ist er eine integre Figur, als Musiker befindet er sich in heftigem Flirt mit dem Mainstream – gleichzeitig die Distanz zu ihm wahrend – Schamoni weiß, dass zu seinem gleichwohl überschaubaren Erfolg beide Seiten sich bedingen.

Entertainer sein und subversiv, also irgendwie auch politisch: So stellt er sich das vor, auch wenn die mantrahafte Beschwörung der Subversivität nichts daran ändert, dass kein Mensch weiß, wie das eigentlich gehen soll. „Jogging Mystique“ jedenfalls spielte Soul und Funk und manchmal einen housigen Disco-Beat.

Interessant übrigens, dass sich mit „Junge Römer“ auch ein Song des Wieners Falco auf der Playlist stand, einem Mann schließlich, der den Hedonismus so gründlich verkörperte wie kaum ein anderer deutschsprachiger Musiker in den 80ern, somit also stilbildend war für das, was Schamoni macht.

Durchaus liebevoll ist der Umgang mit den Vorlagen, und es gab am Samstag mindestens einen Moment, wo Schamoni die Restdistanz aufgab, indem er nämlich sang: „Gibt es eine wahre Gerechtigkeit!“ – fast, als wäre er Xavier Naidoo. Ausgedehnte Instrumentalstrecken, lange Soli, Musikerschweiß, die großen Fragen – das hatte nur noch wenig mit der Lakonie zu tun, die Schamoni ansonsten an den Tag legt. Der Hang zur Conference, zur kühnen Wort-Improvisation samt formvollendetem Scheitern erinnert abgesehen davon immer häufiger an Helge Schneider.

Nur einmal hielt es Schamoni für geboten, ernsthaft böse zu werden, weil nämlich der eingangs erwähnte Herr es nach wie vor nicht sein lassen konnte, zu schreien, obwohl es doch nun Musik gab. Da musste Schamoni ihm schonmal sagen, dass Leute wie er einen Abend so richtig kaputt machen könnten.

Ansonsten aber war Schamoni ein ganz Lieber. Zwar spottet er gern – über Bremen, „eine bedeutende Punk-Hochburg in der Gegend um Bremen“, über „Bremerinnen, die nach Hannover fahren, um sich mal wie in Berlin zu fühlen“, und er spottet auch über seine Band – aber er amüsiert sich auch über sich selbst, weshalb ihn alle lieb hatten und erst nach zwei unterhaltsamen Stunden von der Bühne ließen. Andreas Schnell