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: Jetzt dranbleiben: Erfahrungen mit dem schwachen Geschlecht am Tresen

„Darf ich mal was fragen?“

Am Samstag war so ein Tag, ich wollte ich mich betrinken. Doch meine Freunde sind nicht mehr das, was sie mal waren. Sagen Sachen wie: „Die Luft in Kneipen, die vertrag ich einfach nicht.“ Meine letzte Rettung war Jutta. Doch auch sie ließ mich im Stich. Sie sei letzte Nacht im Traum aus dem Bett gefallen und habe sich dabei das Schlüsselbein gebrochen. Wenigstens eine originelle Ausrede.

Es war besiegelt: Ich geh allein aus. Mir doch egal! Es gibt dabei nur ein Problem: Wenn eine Frau allein in eine Kneipe geht und sich an den Tresen setzt, fühlen sich Männer, die ebenfalls allein trinken, aufgerufen, diese Frau zu unterhalten. Und zwar auf Teufel komm raus. Aus diesen Männern redet es heraus, als gäbe es kein Morgen und als wäre Stille, grade am Tresen, nicht ein erstrebenswerter Zustand.

Trotzdem ging ich in meine Stammkneipe am Chamissoplatz, setzte mich und trank, bis es neben mir blökte: „Ich nehme das Gleiche wie die nette blonde Frau.“

Hansi, der nicht umsonst mein Lieblingswirt ist, sagte: „Wer bei mir sein Getränk nicht mehr selber benennen kann, bekommt nix.“ Der Mann war verwirrt. „Ja, was trinkst du denn, wenn ich mal fragen darf?“ Ich entschied mich für Weißwein.

„Ha, du willst mich wohl auf den Arm nehmen.“ – „Auf keinen Fall.“

Er bestellte Bier und in seinem Kopf ratterte es, oder nein, das stimmt nicht, da konnte nichts mehr rattern, nur noch kleine Gedankenblasen stiegen auf: „Da Frau, ich Mann, hier Tresen, muss was sagen, muss unbedingt was sagen.“

Nachdem er mit diesem Gedanken durch war, versuchte er, ihn in die Tat umzusetzen. „Darf ich mal was fragen?“ Ich weiß aus Erfahrung, es hat keinen Sinn nein zu sagen, denn dann kommt unweigerlich: „Warum denn nicht?“ Also sagte ich „Mhnmh.“

Er war begeistert. Wieder blähte sich sein Gehirn auf: Frage stellen, Frage stellen, Frage stellen. Nur – es fiel ihm beim besten Willen keine ein. Sein Gesicht war verzweifelt leer, er sah aus wie Männer, die im entscheidenden Moment versagen. Ich bin nicht der Typ, der dann tröstende Worte bereithält wie: „Ach das kann doch jedem mal passieren.“ Ich schrie ihn an: „Du wolltest mich was fragen, na los.“ Unter Druck funktionieren Männer gewöhnlich noch schlechter als sonst. Alles, was ihm einfiel war: „Ich wohn in der Bergmannstraße.“ – „Das ist keine Frage.“ Er schwieg betroffen.

Zwei Minuten später schwallte es neben mir erneut. „Darf ich dich mal was fragen?“ Es schien, als hätte er sein Versagen vollkommen vergessen

Darum beneide ich Männer. Nach einem schlimmen Besäufnis ins Bett fallen und am nächsten Morgen nichts mehr zu wissen. Ich weiß immer alles, was ich gesagt oder getan habe. Schön ist das nicht.

„Darf ich dich mal was fragen?“ – „Ja, klar, frag nur.“

„Jaaa, du sag mal, äh, ach, Prost???“ – „Das ist keine Frage!“ – „Ich wollt dich doch nur was fragen, was bist du denn so garstig?“ – „Na bitte, klappt doch, du hast es geschafft, eine vollständige Frage, herzlichen Glückwunsch.“ Er freut sich wie ein Schneekönig und in seinem Hirn gärte es erneut. „Das wird noch was, das wird noch was, jetzt nur dranbleiben.“

Er rückt näher. Jetzt ist aber genug, also sage ich: „Kannste deine Frage noch mal wiederholen, ich hab sie vergessen.“ Es ist ein zu schönes Bild, er sackt in sich zusammen wie schaler Schaum auf einem Pils. Schon wieder versagt. „Jetzt ist sie beleidigt“, sagt er dem Wirt, „dabei wollte ich sie nur was fragen.“ Ich gebe auf, trinke aus und gehe. Meine Geduld mit dem schwachen Geschlecht war für diesen Abend erschöpft.

SARAH SCHMIDT