Nooke wagt keine Störung

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Günter Nooke verzichtet wegen Chancenlosigkeit auf Bewerbung für den Parteivorstand. Schlechteste Ergebnisse für türkischstämmige Kandidaten

von STEFAN ALBERTI

Die Spannung verlässt den Konferenzsaal im „Maritim“, als Günter Nooke vom Rednerpult tritt. Nein, er wird nun doch nicht als stellvertretender CDU-Landeschef kandidieren, er hat den Hinweis des neuen Vorsitzenden verstanden. Die einzige Kampfkandidatur eines auf Harmonie getrimmten Parteitags fällt aus. Nichts soll nach außen das Bild einer neuen Geschlossenheit der Berliner CDU stören. Der neue Chef Christoph Stölzl hat ein Gesamtkunstwerk beschworen, und das will Nooke, gelernter Maurer und studierter Physiker, „mit meinen handwerklichen Fähigkeiten nicht beeinträchtigen“.

Er wollte ja durchaus. Sie sollten ihn nicht kleinkriegen mit ihrer Vorschlagsliste der Mittelmäßigkeit, auf der die meisten liberalen Köpfe fehlen und Bezirkspolitiker dominieren. Kämpfen wollte Nooke, Ostbürgerrechtler, Vize der Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat der Berliner CDU für den 22. September. Die Bundespolitik müsse im Vorstand vertreten sein, Stölzl und Fraktionschef Frank Steffel brauchten Unterstützung. Seine Unterstützung.

Aber die wollen nicht. Der Knock-out kommt von Stölzl selbst. Klar klingt aus seiner Bewerbungsrede: Nooke soll nicht kandidieren, und falls er es doch tut, soll ihn die Partei nicht wählen. Als Bundestagsabgeordneter sei er zu den Vorstandsitzungen ohnehin eingeladen.

Vorne links im Tagungssaal, bei den Delegierten aus Pankow, atmen sie auf, als Nooke mit ein paar Sätzen seinen Rückzug begründet. Den ganzen Vormittag über haben sie versucht, ihn dazu zu bringen. „Er kann sich nur selbst beschädigen“, sagt Pankows CDU-Chef Ralf Stadtkewitz schon Stunden vorher vor dem Sitzungssaal, „es steht doch alles längst fest“. Sichtlich leerer ist es im Saal geworden, als Nooke am Mikro aus dem Bundestag berichtet, dafür deutlich lauter. Er werde noch mal mit ihm reden, sagt Stadtkewitz.

Das tut er, das tun andere auch sichtbar auf dem Vorstandspodium, wo Nooke in der zweiten Reihe sitzt. Als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl haben sie ihn dorthin gesetzt. Erst drei Monate ist der vergangene Parteitag alt, als ihn die CDU zur Nr. 1 ihrer Landesliste wählte. Da haben sie ihn noch gebraucht.

Als er seine Kandidatur zurückzieht, nennt Nooke Stölzls Worte eine goldene Brücke, „über die ich für die nächsten Monate gehen will“. Die nächsten Monate – im Frühjahr 2003 sind wieder Vorstandswahlen. Für jetzt soll gelten: „Ich gehöre nicht zu denen, die nicht auch bereit sind, Mauern einzureißen, aber ich bin auch nicht jemand, der durch jede Betonwand will.“

Die Wand der Geschlossenheit aber bröselt längst, auch wenn es bei der Aussprache bei einer kritischen Wortmeldung bleibt. Noch bevor Nooke zurückzieht, bringen die ca. 350 Delegierten Stölzls zentralen Personalvorschlag fast zu Fall. Nur knapp jeder Zweite will die zukünftige Bundestagsabgeordnete Verena Butalikakis als Generalsekretärin. „Das zeigt, das die Partei noch an sich arbeiten muss“, sagt Stölzl dazu am Rande. Letztlich gelte: „Mehrheit ist Mehrheit.“

Im Saal aber brodelt es. Der ewigige Strippenzieher Peter Kittelmann zieht Butalikakis tröstend an sich. Delegierte reden von einer Katastrophe, andere wollen bei der als schwach eingeschätzten Kandidatin nichts anderes erwartet haben. Wieder andere sehen das Ergebnis als Ventil für jene, die allgemein ihren Unmut äußern wollten.

Stölzl ist erst seit Anfang 2001 CDU-Mitglied, hat aber genug Parteiprofis um sich, um die Risse zu bemerken. Als es um die elf Beisitzer im Vorstand geht, drängt er ausdrücklich auf breite Zustimmung. Wieder spricht er von einem Gesamtkunstwerk, das fein austariert sei. Mit mehr Frauen im Vorstand hat er vorab geworben, mit Quereinsteigern – und mit Kandidaten ausländischer Herkunft.

Der neue und alte Vize Dieter Hapel, ein Strippenzieher auch er, scheint echte Zweifel zu haben, kommt zu einem Extraappell für die türkischstämmige Emine Demirbüken ans Mikro. Die gibt sich überrascht, mag keine Notwendigkeit dafür erkennen. Wohl fühle sie sich in der CDU, sagt sie. Dieses Gefühl ist offenbar nicht ganz gegenseitig. Als die Wahl vorüber ist, steht das schlechteste Ergebnis hinter ihrem Namen, das zweitschlechteste hinter dem zweiten türkischstämmigen Bewerber.

Günter Nooke läuft währenddessen betont entspannt durch den Saal, wie um zu zeigen, dass er warten kann. Er schien zu Jahresanfang schon mal ausgebootet, als der damalige Parteichef Diepgen ihn mit seiner Bundestagskandidatur aus Mitte nach Pankow abdrängte. Auf der Landesliste wollte Diepgen ihm zwar einen prominenten Platz zubilligen, aber selbst Nr. 1 sein. Das Ergebnis ist bekannt. Ein paar Wochen später war Nooke Spitzenkandidat, und Diepgens politische Karriere war beendet.