Die Erbschleicher blitzen ab

Eigentlich schon totgesagt, weist Alba Berlin alle potenziellen Nachfolger in die Schranken, wird zum sechsten Mal in Folge deutscher Basketballmeister und steht möglicherweise vor einem Umbruch

von MATTI LIESKE

Zwei Dinge zeichnen große Mannschaften im Sport aus: dass sie dann am besten sind, wenn es wirklich zählt, und dass sie Spiele gewinnen, die sie eigentlich niemals gewinnen dürften. Beides hat das Basketballteam von Alba Berlin in den Play-offs um die deutsche Meisterschaft in nahezu perfekter Form demonstriert, zuletzt am Samstag beim 69:68 nach Verlängerung bei RheinEnergy Cologne. Der knappe Erfolg brachte Alba das sechste Championat in Folge, während Kölns Coach Svetislav Pesic sich mit einem Satz tröstete, der eigentlich eher im benachbarten Leverkusen beheimatet ist: „Zweiter werden ist auch schwer.“

Es war ein grauenhaft schlechtes Spiel mit unterirdischen Trefferquoten auf beiden Seiten, in dem das Kölner Team trotz allerlei Widrigkeiten den Sieg verdient gehabt hätte. Doch mit aberwitzigen Ballverlusten und wackligen Händen bei offenen Würfen und Korblegern brachten sich die Rheinländer selbst um den Erfolg; außerdem waren die Schiedsrichter nicht ihre Freunde. In der beidseitig hart geführten Partie bekam Cologne gerade mal 15 Freiwürfe zugesprochen, Alba indes 38, von denen die Mehrzahl allerdings vergeben wurde. Noch schwerer wog das frühe Ausscheiden der Schlüsselspieler Kukic und Bogojevic bei Köln mit jeweils fünf Fouls.

Das von Pesic schon nach der zweiten Partie heftig beklagte Wohlwollen der Schiedsrichter den Berlinern gegenüber zeigt jedoch auch, wie schnell diese sich den Respekt innerhalb der Basketballszene zurückerobert haben, der ihnen nach ungewohnt zahlreichen Niederlagen schon verloren gegangen schien. Nur als Fünfter der Punktrunde in die entscheidende Phase gestartet, verloren die Titelverteidiger aus Berlin danach kein Match mehr. Die aufmüpfigen und vor Selbstbewusstsein strotzenden Rivalen aus Leverkusen, Frankfurt und Köln wurden alle mit 3:0 bezwungen, wobei Alba jeweils zwei Partien in des Gegners Halle für sich entschied. Eine Demütigung für jene, die sich nach trügerischen Siegen in der Hautprunde schon als die Erben der Alba-Dynastie wähnten und den ins Trudeln geratenen Dauerchampion bereits abgeschrieben hatten. Wenig verwunderlich, dass die Berliner Spieler nach dem glücklichen Sieg in Köln mächtig obenauf waren, Center Dejan Koturovic „noch einige Titel“ prophezeite und Nationalspieler Marko Pesic gar von der „besten Alba-Mannschaft aller Zeiten“ schwärmte.

Das allerdings dürfte um einiges zu hoch gegriffen sein, denn wahrhaft große Mannschaften zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie das ganze Jahr über dominieren und zudem international eine Rolle spielen. Wenn ein Team nur noch bei absoluten Höhepunkten seine Topleistung bringt, beweist das zwar Klasse, aber auch, dass es über sein Zenit hinaus und ein gewisser Umbruch geboten ist. So war es bei den Fußballern von Bayern München im letzten Jahr, so war es auch bei Michael Jordans Chicago Bulls, die ihre letzte NBA-Meisterschaft 1998 nach einer sehr durchwachsenen Saison mit peinlichen Niederlagen holten.

Für Alba verlief vor allem die EuroLeague enttäuschend, wo man nicht einmal in die Nähe der Qualifikation für die zweite Runde kam, bedingt auch durch die Verletzung einiger Spieler, die durch die Nachwuchskräfte nicht so effektiv ersetzt werden konnten, wie man es sich erhofft hatte. Albas imposante Statistik von neun Siegen in neun Play-off-Spielen, nachdem zuvor schon gegen die Frankfurt Skyliners der Pokal gewonnen wurde, täuscht ein wenig darüber hinweg, dass die Mannschaft in jeder dieser Partien fast 100 Prozent ihres Leistungsvermögens erreichen musste, um am Ende triumphieren zu können. Einerseits Indiz dafür, dass die Konkurrenten in der Bundesliga stärker geworden sind, andererseits aber auch ein Zeichen, dass die spielerische Qualität bei den Berlinern nachgelassen hat. Entscheidend in den Duellen gegen Frankfurt und Köln war vor allem die Intensität der Defense, die dafür sorgte, dass Topscorer wie Marcus Goree von den Skyliners oder Kölns C. C. Harrison nicht wie gewohnt punkten konnten.

Sich auf Kraftakte dieser Art zu verlassen, könnte riskant sein, und tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass Veränderungen ins Haus stehen. Sieben Spielerverträge laufen aus, ein radikaler Schnitt wäre möglich. „Unser Ziel ist es, die Traditionsmarke Alba dauerhaft zu einer festen Größe in Europa zu entwickeln“, formulierte Vorstandsmitglied Axel Schweitzer von der Alba AG, die ihren Sponsorenvertrag kürzlich bis 2005 verlängerte, in seiner Meisterschaftsgratulation ein ehrgeiziges Ziel. Um das zu erreichen, ist eine erfolgreiche nächste Saison sowohl national als auch international unabdingbar, da die Mitgliedschaftsgarantie der Berliner in der EuroLeague bloß noch ein Jahr läuft. Nur auf den Nachwuchs zu setzen, wird da kaum genügen.