Scheidung auf Neoislamisch

In immer mehr arabischen Ländern setzt sich ein für die Frauen vereinfachtes Scheidungsverfahren durch. Allerdings verlieren die Betroffenen dabei ihr Brautgeld, das sie bei einer traditionellen Scheidung als Sicherheit zurückbekommen

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Es ist ein kleines Stück arabische Frauengeschichte, das Mitte des Monats in Jordanien geschrieben wurde. Erstmals entschied ein dortiges Familiengericht, dass sich eine in der Presse nicht namentlich genannte Frau mit dem schlichten Argument scheiden lassen könne, dass sie ihren vor drei Jahren geehelichten Gatten „hasse“.

Eine kleine Revolution, denn das Scheidungsrecht in Jordanien basiert wie in allen andern arabischen Ländern auf den Grundlagen der Scharia oder besser gesagt dem, was arabische männliche islamische Rechtsgelehrte als gottgegebenes islamisches Recht interpretieren. Danach kann zwar jeder Mann mit der dreifachen Aussprache der Verstoßungsformel seine Frau loswerden. Wenn die Frau allerdings auf die gleiche Idee kommen sollte, wird es komplizierter. Sie muss vor Gericht beweisen, dass der Mann sie entweder regelmäßig und systematisch schlägt, über mehrere Jahre verreist ist, nicht für ihren Unterhalt sorgt oder impotent ist. Gerade im letzteren Fall ein eher delikates Beweisverfahren mit Zeugen. Solche Prozesse zogen sich meist über Jahre hin und waren am Ende oft nicht von Erfolg beschieden.

Arabische Frauengruppen haben diese rechtliche Ungleichheit schon lange angegriffen. Einen ersten Sieg errangen sie vor zwei Jahren in Ägypten. Und wie überall in der arabischen Welt, wenn um es Ehe und Familie geht, gelang ihnen dies in ihrer konservativen und traditionellen Gesellschaft nur, weil sie auch für ihre Scheidungsrechtsreform „islamische Argumente“ vorbrachten.

Ein paar findige, weniger konservative islamische Rechtsgelehrte hatten dort das so genannte Khulaa-Prinzip ausgegraben, das auf einem Hadith, einer mündlichen Überlieferung des Propheten Muhammad, basiert. Danach hatte einst eine Frau den Propheten gebeten, ihren Mann verlassen zu können, weil sie ihn nicht mehr ausstehen und ihren religiösen Pflichten nicht mehr nachkommen könne, sollte sie weiter gezwungen sein, mit ihrem Mann zusammenzuleben.

Der Prophet hatte ein Einsehen, so auch vor zwei Jahren das ägyptische Parlament, dass nach langer hitziger Debatten über den potenziellen Untergang des männlichen Morgenlandes einer Gesetzreform zustimmte. Seitdem können sich ägyptische Frauen entweder im traditionellen Scharia-Verfahren oder durch Khulaa von ihrem Mann trennen.

Geholfen hat bei der rechtlichen Modifizierung sicherlich auch die Rückendeckung der islamischen Azhar-Universität, die als wichtige religiöse Rechtsautorität gilt. „Nur ein Mann ohne Würde zwingt seine Frau, gegen ihren Willen bei ihm zu bleiben“, hatte der Großscheich und Chef der Azhar, Muhammad Sayyed Tantawi, zur Verblüffung vieler seiner konservativen Scheichkollegen öffentlich erklärt.

Das Khulaa-Scheidungsverfahren hat sowohl in Ägypten als auch in Jordanien für die Frauen allerdings einen entscheidenden Haken, denn der Prophet hatte von der verzweifelten scheidungswilligen Frau gefordert, dass sie den als Brautgabe erhaltenen Garten an ihren Mann zurückgeben muss, wenn sie ihn verlässt. Nachder jetzigen Khulaa-Rechtsprechung bedeutet dies, dass die Frau alle ihre finanziellen Ansprüche gegenüber dem Mann aufgeben muss, einschließlich des ihr zugesprochen Brautgeldes, dass sie bei einer normalen Scharia-Scheidung als eine Art Sicherheit zurückerhalten würde. Für ägyptische und jordanische Frauengruppen stellt dieses neue Scheidungsrecht daher nur einen Teilsieg dar. Es bedeute, so manche der Khulaa-Kritikerinnen, dass sich am Ende nur reiche Frauen „freikaufen“ könnten.

Die ägyptische Anwältin und Frauenrechtlerin Safa Murad beschreibt das ganze nach zweijähriger praktischer Khulaa-Erfahrung vor Gericht dennoch als vollen Erfolg. Keine Frau sei heute mehr gezwungen, einen skeptischen männlichen Richter (in Ägypten gibt es keine einzige Richterin) mit Zeugen zu überreden, dass ihre Scheidungsgründe legitim seien. Sicher, so Murad, sei das Scheidungsrecht weiterhin reformbedürftig, wenn eine ägyptische Frau aber heute von ihrem Mann tyrannisiert wird, dann könne sie ihn spätestens innerhalb eines halben Jahres verlassen und das sei ein enormer Fortschritt. Trotz des finanziellen Verzichtes würde Khulaa nach ihrer eigenen Kanzleierfahrung inzwischen auch von vielen mittellosen Frauen in Anspruch genommen. Bei ärmeren Frauen, so Murad, sei das vereinbarte Brautgeld und damit der Verlust nicht so hoch. Am Ende, so zeigt die ägyptische Khulaa-Praxis, ist vielen Frauen ihre wiedergewonnen Freiheit kostbarer als das verlorene Brautgeld.