Proteste: „Stoppt die Busherie“

Auch in Paris wird US-Präsident George W. Bush mit Demonstrationen empfangen. Meinungsverschiedenheiten auch mit Chirac. Das franko-amerikanische Verhältnis hatte sich schon vor dem Besuch abgekühlt. US-Medien wittern Antisemitismus

aus Paris DOROTHEA HAHN

„Boucherie“ bedeutet Schlachterei und Gemetzel. Bei französischen Demonstrationen taucht das Wort zurzeit häufig auf. Seine Schreibweise ist leicht amerikanisiert. „Stoppt die Busherie“, ist auf Transparenten zu lesen.

Als George W. Bush gestern Nachmittag zum ersten Besuch seit seinem Amtsantritt in Paris einflog, waren die ersten französischen Demonstrationen gegen ihn bereits zu Ende. In der normannischen Stadt Caen wandten sich etwa 1.100 Demonstranten gegen „George W. Bushs Strategie der Weltbeherrschung“. Während Bush mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac im Elysee-Palast sprach, forderten über 4.500 Menschen in Paris: „We want justice, stop the war.“ Zu der Demonstration hatten mehr als 50 linke Organisationen aufgerufen. Neben Bushs kriegerischem Engagement gegen Afghanistan und gegen die „Staaten des Bösen“ kritisierten sie die komplette Palette seiner Politik – von der Parteinahme für Israels Premier Ariel Scharon und gegen die sofortige Schaffung eines Palästinenserstaates über seine Versuche, die Regeln für den internationalen Handel zu diktieren, bis hin zum anhaltenden US-Boykott europäischer landwirtschaftlicher Produkte.

Für heute sind weitere Anti-Bush-Demonstrationen in Caen geplant. „Wir haben nichts gegen die USA, und wir erinnern uns natürlich auch an ihre Rolle bei der Befreiung Europas vom Faschismus“, sagte gestern einer der Organisatoren, „wir protestieren hier gegen die neuen Kriege der USA.“ Unter anderem wollen heute in Caen auch Umweltschützer gegen den US-Boykott des Kioto-Protokolls sowie gegen die geplanten atomaren Minibomben demonstrieren.

Die französische Hauptstadt hat sich für Bushs Besuch mit einem nie dagewesenen Aufgebot an Sicherheitskräften gerüstet. Aus „Sicherheitsgründen“ flogen die USA auch den gepanzerten Wagen ein, den Bush schon in Deutschland benutzt hatte. Einen Hubschrauberflug in die Stadt hielten seine Leute für „zu gefährlich“. US-Fähnchen flatterten nicht in Paris – aus Protokollgründen: Bush stattet Frankreich keinen Staats-, sondern bloß einen Arbeitsbesuch ab.

Im Rahmen seiner 24-stündigen Stippvisite traf Bush gestern Abend neben dem französischen Präsidenten Jacques Chirac auch den Premierminister der neuen rechten Regierung, Jean-Pierre Raffarin, und Außenminister Dominique de Villepin.

Chirac war der erste ausländische Staatschef, der nach den Attentaten des 11. September 2001 die USA – inklusive New York – besuchte. Direkt nach den Anschlägen beteuerten auch Franzosen, die sich zuvor nicht durch besonderen Proamerikanismus ausgezeichnet hatten, dass sie „alle Amerikaner“ seien. Doch diese Stimmung ist längst verschwunden. Jetzt sind die franko-amerikanischen Verhältnisse auch an der politischen Spitze wieder so durchwachsen wie eh und je. Bush war schon vor seiner seltsamen Wahl zum US-Präsidenten in Frankreich unpopulär. Weder in der Elite noch im Volk, weder rechts noch links traute man ihm über den Weg. Von Madrid aus kritisierte Chirac im Mai den „Unilateralismus“ der US-Außenpolitik.

Umgekehrt fahren US-Medien eine lautstarke Kampagne gegen den angeblichen Antisemitismus in Frankreich. Diese Kampagne, die unterstellt, dass es eine antisemitische politische Bewegung gebe, die hinter den Gewaltakten gegen jüdische Einrichtungen in Frankreich stünde, übernimmt Slogans, die bereits zuvor von Scharon lanciert worden waren.

Uneinigkeit zwischen Paris und Washington herrscht neben der Nahostpolitik auch in den Fragen des Internationalen Strafgerichtshofes, des Umgehens mit den „Schurkenstaaten“, des US-amerikanischen Protektionismus in der Industrie (Stahl) und der US-Agrarsubventionen.

Die Meinungsverschiedenheiten in der Handels- und Umweltpolitik seien bei seinem Treffen mit Bush zur Sprache gekommen, sagte Chirac gestern. Demonstrativ betonte er dagegen die Gemeinsamkeiten beim Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus. Frankreich und die USA hätten „dieselbe Auffassung von den Dingen“, sagte Chirac, „und dieselbe Entschlossenheit, den Terrorismus auszurotten“.