Jad Vaschem mahnt den Spaßvogel

Die israelische Gedenkstätte begrüßt FDP-Chef Guido Westerwelle mit einer Erklärung gegen antisemitische Aussagen

JERUSALEM taz ■ Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem hat gestern anlässlich des Besuchs von FDP-Chef Guido Westerwelle antisemitische und fremdenfeindliche Aussagen innerhalb der FDP auf das Schärfste verurteilt. Westerwelle hatte – wie alle offiziellen Israel-Besucher – in der „Halle der Erinnerungen“ einen Kranz niedergelegt und die ewige Flamme entzündet, das Museum, die Kindergedenkstätte und das Tal der ausgelöschten Gemeinden besucht. Danach veröffentlichte Jad Vaschem eine Erklärung, in der Politiker und Erzieher in Deutschland aufgerufen werden, auch verbale rassistische Angriffe öffentlich anzuprangern.

Zu den unvergesslichen Lektionen aus der Nazizeit gehöre die Rolle, welche aggressive Rhetorik beim Ausbruch von Gewalt gespielt habe. Die zynische Benutzung demokratischer Foren für antisemitische Aussagen im Rahmen von Diskussionen über Israel und den Nahen Osten gewinne in Deutschland Besorgnis erregende Legitimität, hieß es in der Erklärung.

Nach Auskunft des Jerusalemer Außenministeriums wurden Westerwelles Gespräche in Israel nur möglich, weil der FDP-Vorsitzende sich am Freitag in einer Pressekonferenz von Jürgen Möllemanns Ausführungen zum Rechtspopulismus distanziert hatte. „Wir hatten die Durchführung unserer Einladung, die bereits im Oktober 2001 ausgesprochen wurde, davon abhängig gemacht“, sagte Jonathan Peled, erster Sekretär der Europa-Abteilung im Außenministerium. Westerwelle wollte am gestrigen Montag mit Präsident Mosche Katsav, Regierungschef Ariel Scharon, Außenminister Schimon Peres, Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser sowie Oppositionsführer Jossi Sarid zusammentreffen. „Wir sind sehr besorgt über die derzeitige Haltung der FDP“, sagte Diplomat Peled.

Avi Primor, Israels früherer Botschafter in Deutschland, ist skeptisch, ob diese Bedenken in Israels Bevölkerung und politischer Landschaft geteilt werden. Israel sei ausreichend mit sich selbst beschäftigt, und so werde die deutsche FDP-Debatte in Israel gar nicht oder höchstens am Rande verfolgt. Tatsächlich ging nur die Zeitung Haaretz sowie eine Radiosendung am vergangenen Donnerstag auf die Vorgänge ein.

Die FDP schilderte Primor nach seiner sechsjährigen Deutschland-Erfahrung als Partei, die „dem Staat Israel und den Juden Deutschlands immer sehr, sehr treu (war), obwohl Vizevorsitzender Möllemann traditionell Deutschlands Interessen in der arabischen Welt und jene der Araber in Deutschland vertritt“. Adar Primor, Sohn des Exdiplomaten und Leiter des außenpolitischen Ressorts von Haaretz, war am gestrigen Montag der einzige Journalist, der dem israelischen Publikum die aktuellen Vorgänge um Möllemann, Karsli und Friedman erläuterte. Tenor seines Artikels: Das politische Establishment Deutschlands hegt große Sorge vor einem Ausbruch von Antisemitismus und ist übersensibel hinsichtlich Kritik von Israels derzeitiger Politik.

Auch Westerwelle hat sich in seinen gestrigen Gesprächen bemüht zu versichern, solch ein Tabu sei in Deutschland immer noch weit mächtiger als der Druck, es zu zerschlagen. Westerwelles Gesprächspartner hingegen haben deutlich gemacht, dass sie ihm und seiner Partei den für den Wahlkampf erwünschten israelischen „Persil-Schein“ nicht ausstellen werden, solange FDP-Vertreter mit rechtsextremem Wählerpotenzial flirten. Dahinter steht das Wissen, dass Westerwelle gute Chancen hat, in jeder künftigen deutschen Koalitionsregierung Minister zu werden.

Wenn auch Detailkenntnis und -interesse für die Vorgänge in der FDP in Israel fehlen, ist ein „neuer europäischer Antisemitismus“ hier zum Schlagwort geworden, das die Öffentlichkeit über alle Maßen beschäftigt. Westerwelle hat gestern stolz auf seinen Erfolg hinweisen können, den ehmaligen grünen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli aus seiner Partei verbannt zu haben. Heute plant Westerwelle ein Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Ramallah.

ANNE PONGER