zehn jahre balkankrieg
: Generation Sarajevo

Vor beinahe genau zehn Jahren begann der Krieg, der Bosnien und Herzegowina in den Abgrund stürzte. Das lebenslustige Sarajevo wurde am 6. April 1992 plötzlich zu einer Frontstadt. Zu einer eingeschlossenen, einer belagerten, einer mit Granaten beschossenen Stadt. Und das mehr als drei Jahre lang. Heute sind das alles Erinnerungen. Sarajevo ist zwar nicht mehr die lebenslustige Stadt von früher, aber wieder lebenshungrig. Eine neue, junge Generation prägt das Bild, eine Generation, die zwar einen Teil ihrer Kindheit in den Kellern verbringen musste. Die jetzt aber normal leben und am Internet hängen will wie die Jugendlichen andernorts auch. Sie will Teil der Weltgesellschaft sein. Und deshalb verträgt sich diese Jugend nicht mit den alten Ideologien, die den Krieg herbeigeführt haben.

Kommentarvon ERICH RATHFELDER

Die neue Generation führt keine theoretischen Debatten. Sie ist aber wach gegenüber all den falschen Tönen, die immer noch zu hören sind. Die nationalistischen Ideologien haben zwar an Kraft verloren, existieren aber noch. Wenn nur wenige Kilometer entfernt in den serbisch kontrollierten Gebieten die Kriegstreiber Karadžić und Mladić offen verteidigt werden, dann reagiert die junge Generation in Sarajevo nicht mehr mit Wut wie manche Ältere. Demonstrationen gibt es keine. Doch die Jugend wundert sich.

Emotional reagieren jedoch viele dann, wenn diese falschen Töne im sonst so bewunderten westlichen Ausland zu hören sind. Wenn noch immer behauptet wird, der Krieg sei ein „Bürgerkrieg“, also ein Krieg der Bürger und nicht von rabiaten Nationalisten und kühlen Machtpolitikern gewesen.

Diese neue Generation gibt ihre Antwort nicht mehr direkt, sondern vermittelt. Die Begeisterung, mit der Danis Tanović, der aus Bosnien stammende Regisseur des mit dem Oskar ausgezeichneten Films „Niemandsland“, empfangen wird, steht dafür. Der beste europäische Film dieser Tage zeigt die Tragödie Bosniens in einem neuen, dem Geist der jüngeren Generation Sarajevos entsprechenden tragikomischen Licht. Ohne Bitterkeit. Und doch klar.

Immerhin: Wenigstens einige Fronten sind heute geklärt. Die 1992 noch tatenlos dem Morden in Bosnien zusehenden Mächte der Welt haben nach Srebrenica zu einer gemeinsamen Haltung gefunden. Heute garantieren sie den Frieden. Und müssen sich dennoch gefallen lassen, dass Sarajevo gegenüber jeglichem Zynismus der Macht feinfühlig geworden ist.