Bremen nach 2005 – am Ende?

■ Unter dem wachsamen Auge des schweigenden Jens Böhrnsen (SPD) stritten Erich Röper und Rudolf Hickel über Bremens ausweglose Finanzlage

Bremen hat keine Chance – nutzen wir sie! So etwa lässt sich die Diskussion zusammenfassen, die am Montag in der Bürgerschaft stattfand. Bald 200 Experten der bremischen Politik waren gekommen, um am Streit des Juristen Erich Röper mit dem Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel teilzunehmen.

Über den Ausgangspunkt der Diskussion herrschte dabei weitgehend Einigkeit: Wenn es im Jahre 2005 keine Sanierungshilfen mehr gibt, wird das Land Bremen finanzpolitisch in einer katastrophalen Lage sein. Entweder werden die Ausgaben der beiden Kommunen so gekürzt, dass die im Grundgesetz garantierte „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ nicht mehr gesichert ist. Oder das Parlament beschließt, wieder auf Pump zu haushalten und auf den Schuldenberg, der dann rund zehn Milliarden Euro betragen wird, Jahr für Jahr 750 Millionen Euro an neuen Schulden mehr oder mehr aufzutürmen. Bald gibt der Stadtstaat ein Viertel seiner Steuereinnahmen für Zinsen aus.

Einig waren sich die Teilnehmer auch darin, dass in Bremen offen über diese Lage diskutiert werden sollte. Hickel kritisierte die „unseriöse Politik“ des Finanzsenators Hartmut Perschau (CDU): „In so einer profilierten Position muss man den Mut haben, einmal die Wahrheit zu sagen.“ Ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) unterstützte das: „Wir brauchen mehr Offenheit und Ehrlichkeit über unsere Situation.“

Aber was tun? Drei Szenarien standen im Raum. Im Unterschied zum Finanzsenator, der mit „Valium-Packungen“ (Wedemeier) die Lage beschönigt, hat sein Staatsrat Günter Dannemann erklärt, Bremen müsse wohl wieder vors Verfassungsgericht ziehen und eine dauerhafte finanzielle Besserstellung einklagen. „Die lachen sich da tot, wenn wir wieder ankommen“, meinte der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel zu der Idee mit der Klage. Seine Idee: „Gute Argumente“ zu sammeln, um die Fortsetzung der Sanierungshilfen zu begründen. Obwohl die derzeitigen Zahlungen ausdrücklich als „abschließende“ Hilfe gewährt werden und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einem Bremen-Besuch einmal erklärt hat, „dass ab 2004 nix mehr kommt, bis dahin müsst ihr fertig sein“. Schon die zweite Phase der Sanierungshilfe für Bremen und das Saarland hätte es vermutlich so nicht gegeben, wenn damals nicht der Saarländer Oskar Lafontaine Finanzminister gewesen wäre. Und der Kanzler-Herausforderer Edmund Stoiber hat beim letzten Verfassungsgerichtsverfahren auf der Seite derer gestanden, die den Stadtstaaten sogar die derzeitige „Einwohnerveredelung“ streitig machten.

Wenn die Fortsetzung der Milliarden-Hilfen unrealistisch ist, sagt an dieser Stelle der Jurist Röper, und wenn eine enorme Neuverschuldung auch wegen der strengen Maastricht-Stabilitätskriterien vom Bund nicht geduldet werden kann, seien Fusionsverhandlungen mit Niedersachsen „zwingend“.

Die Fusion würde die Region insgesamt 600 Millionen Euro kosten, die bisher als Länder-Transferleistungen fließen, konterte Hickel, und: „In Niederachsen würde Bremen ganz schön arm gerechnet.“

Nachdem Bremen über 17 Milliarden Mark Sanierungshilfe verbraucht habe, sagt dagegen Röper, würde niemand den Bremern noch einmal Geld in die Hand geben. Niedersachsen dagegen könnte für eine Fusion dieselben Finanzhilfen einfordern, die für die Fusion Berlin-Brandenburg vorgesehen waren. Der Hintergrund: Niedersachsen (Schuldenstand ca. 30 Millionen Euro) kann einer Fusion nur zustimmen, wenn der Bund die Bremer Schulden (ca. 10 Millionen Euro) übernimmt. Bedingungslos hingen die Bremer im Übrigen nicht an ihrem Stadtstaat, erklärt Röper: Die Bremerhavener würden gern eine Großstadt in Niedersachsen,sein, „wenn sie die Häfen hätten“. Wedemeier sieht das offenbar ähnlich: „Deswegen kriegen die die auch nicht“, warf er ein.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen, der die beiden Wissenschaftler zur Debatte eingeladen hatte, beteiligte sich selbst nicht. In seinem Schlusswort betonte er, das Beharren auf Rechtspositionen“ reiche nicht aus. „Politische Kreativität“ sei gefordert angesichts dessen, was uns 2005 erwartet. Worauf Röper konterte: „Den großen Wurf brauchen wir verteufelt schnell.“ K.W.