„In drei Tagen vergessen“

Exdiplomand Matthias Burchard kämpft seit 10 Jahren für die Entschuldigung der Humboldt-Uni für den „Generalplan Ost“. Die gestrige Erklärung reicht ihm nicht

taz: Herr Burchard, das ist ein freudiger Tag: Die Humboldt-Universität entschuldigt sich offiziell – warum sind Sie nicht bei der Feierstunde dabei?

Matthias Burchard: Es ist zwar vom Grundansatz durchaus erfreulich, auch manche Formulierungen. Aber Wesentliches fehlt, insbesondere die Begegnung mit den direkt betroffenen Opfern.

Ist das das Einzige, was Sie stört? Was fordern Sie noch?

Ich fordere solide Information. Die jungen Leute brauchen sie, um das alles nachvollziehen zu können. Es liegt ein Exkursionsangebot aus Polen für Oktober mit Menschen aus den hauptbetroffenen Gebieten vor. Angesichts der Dimension des Verbrechens wäre es eine schöne Geste, Betroffene einzuladen.

Ihre Ausstellung wird nach wie vor nicht gezeigt.

Ja, ich stehe hier mit der dringenden Bitte um Unterstützung bei der Suche nach einem Raum.

Aber sind diese Forderungen so entscheidend, dass Sie jetzt nach diesem Erfolg in einem zehnjährigen Kampf nicht mit feiern wollen?

Ein papierene Erklärung ist in drei Tagen vergessen. Das kann sich auch niemand merken. Das ist ein bisschen viel Political Correctness und huldreiche Erklärung. Es ist ein wenig lebensfern.

Immerhin gibt es eine offizielle Entschuldigung.

Das ist ein wichtiger Teilschritt, für den ich dankbar bin. Aber es muss noch mehr kommen.

Sie stehen allein hier. Haben Sie in all den Jahren nicht mehr Alliierte gefunden?

Doch, es gibt mittlerweile einige Unterstützer. Auf meiner Homepage sind über 70 eingestellt – etwa der Rechtshistoriker Reinhard Strecker. So etwas bringt Protektion für mich beim weiteren Vorgehen. Auch der polnische Botschaftsrat, der bei der provisorischen Ausstellungseröffnung open air neulich vor dem Abgeordnetenhaus war, wird sich bald noch mal äußern. Die Zahl der Unterstützer wächst.

Haben Sie trotz der Gedenkfeier immer noch den Eindruck, dass sich die Universität ihrer Verantwortung für den „Generalplan“ drückt?

Sie versucht es.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich möchte gern die Ausstellung eröffnen, die nach acht Arbeitstagen realisiert werden könnte. Dazu gibt es Gespräche mit dem Dekanat und mit der zuständigen Senatsverwaltung.

Haben Sie selber Aktien darin: etwa dass Sie eine Forschungsstelle bekommen?

Wenn es öffentlich anerkannt wird und wenn beispielsweise im Oktober ein großes öffentliches Gedenkobjekt, etwa am Oranienburger Tor eine informatorische Tramhaltestelle, eingerichtet wird, dann wird es sicherlich auch angemessene Forschungsförderung geben, sodass auch für mich eine Stelle abfällt.

Also machen Sie das dafür?

Nein. Ich will die Schuld am Generalplan Ost sauber und öffentlich anerkannt sehen. Das fehlt mir noch. Nächste Woche laden wir zu unseren alternativen Informationsveranstaltungen. Sechs wichtige Publikationen sind gerade in diesem Jubiläumsjahr vergriffen.

Wird Ihr Bemühen um die Erinnerung an den Generalplan irgendwann einmal beendet sein – oder geht es ewig weiter?

Wenn ich sehe, dass der Generalplan sauber im Zusammenhang dargestellt ist und es ein zufrieden stellendes öffentliches Gedenken gibt, dann ist es gut.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER