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: NBA: Celtics hoffen auf Wunder von Paul Pierce

Schluss mit dem Gequatsche

Wenn es darum geht, den Mund ein bisschen zu voll zu nehmen, kann man davon ausgehen, dass Paul Pierce der Erste ist, der sich meldet. Die Trash-Talk-Duelle, die sich der 24-jährige Basketballer von den Boston Celtics diese Saison mit Michael Jordan lieferte, zeugten nicht gerade von historischem Respekt und gerieten ihm auch nicht unbedingt zum Vorteil, als ihn der Altmeister beim direkten Aufeinandertreffen ein paar Jahre älter aussehen ließ, als ihm lieb war. Vor dem Finale der Eastern Conference war Pierce aber längst wieder obenauf und ließ die Gegner von den New Jersey Nets wissen, dass er sie quasi im Alleingang aus dem Weg räumen werde. „Sie haben keinen, der mich verteidigen kann“, prahlte der drittbeste Scorer der Liga, genau die richtigen Worte, um die Nets-Fans, nicht unbedingt für ihr Temperament berühmt, aufzustacheln.

„Wenn du so etwas sagst, dann tust du gut daran, den Worten auch Taten folgen zu lassen“, mahnte Bill Walton, der von seiner Love-it-Live-Tour durch die Playoffs auf der NBA-Website (nba.com) berichtet. Walton erinnerte dabei an Larry Bird, mit dem er bei den Celtics Champion wurde und der einmal von den Fans der Cleveland Cavaliers als alt und verbraucht verspottet wurde. Bird nannte sie „einen Haufen dummer Bauern“ und verpasste den Cavs anschließend mehr als 50 Punkte. An Pierce hingegen hatten die Nets-Anhänger viel Freude, vor allem in Spiel zwei, wo er fast alles danebensetzte und Celtics-Coach Jim O’Brien anschließend sarkastisch meinte: „Er hatte ziemlich offene Würfe, vor allem von der Freiwurflinie.“ Deutlich blieb Pierce in der Serie bisher unter dem Schnitt von 37 Punkten, den er während der Saison gegen die Nets erreicht hatte.

Im Partie vier am Montag in Boston gelangen ihm zwar 31 Zähler, doch am Ende verpasste er es mit einem vergebenen Freiwurf, eine Verlängerung zu erzwingen. Beim Stand von 92:94 ging der erste Versuch daneben, mit dem zweiten verfehlte er dann absichtlich den Korb, um durch mit einem Offensivrebound womöglich noch den Ausgleich zu schaffen. Tatsächlich bekam Tony Battie den Ball, traf aber nicht mehr. Die Nets hatten in der Best-of-Seven-Serie zum 2:2 ausgeglichen und im letzten Viertel gezeigt, dass sie Pierce sehr wohl verteidigen können. Jason Kidd luchste ihm zwei Offensivfouls ab und mit geschickter Doppeldeckung schafften sie es, dass Pierce in dieser Phase nur noch sechs Punkte machte, die meisten von der Freiwurflinie.

In Spiel drei war das noch anders gewesen. Da hatte Pierce fast das ganze Spiel hindurch verheerend geworfen, aber nach einem dringlichen Appell des Teamkollegen Antoine Walker mit 19 Punkten im Schlussviertel eine historische Aufholjagd angeführt. 21 Zähler machten die Celtics wett, gewannen das Match, und die Nets mussten sich in den Tagen zwischen den beiden Spielen in Boston ein ganzen Haufen Spott gefallen lassen, diesmal weniger von Pierce als von den Fans und der örtlichen Presse. Dementsprechend fiel die Reaktion der Nets nach dem Sieg in Spiel vier aus. Point Guard Jason Kidd, sonst eher ein ruhiger Vertreter seiner Zunft, baute sich mit je zwei ausgestreckten Fingern vor den enttäuschten Celtics-Anhängern auf und brüllte ihnen aus voller Kehle seinen Triumph über den 2:2-Ausgleich entgegen. „Ich war es müde, demütig zu sein“, meinte Kidd, „das Gequatsche dieser Kerle geht einem langsam auf die Nerven.“

Der Sieg in Boston war überlebenswichtig für die Nets, die nun heute in eigener Halle die große Chance haben, in Führung zu gehen. Ein Projekt, dessen Erfolg auch davon abhängt, ob Paul Pierce seinen Touch wiederfindet. Dass die Freiwurfmisere vom Montag das kräftige Ego des Spielers erschüttert haben könnte, hält Coach O’Brien für geradezu absurd. Gegen die Nets habe er mal eine Halbzeit lang nur einen von 16 Würfen getroffen, „doch der Typ, der mit dem größten Selbstvertrauen in die Kabine ging, war Paul Pierce“. Als er wieder rauskam, machte er einfach 46 Punkte in Halbzeit zwei. MATTI LIESKE