Slacker-Slapstick

Mit Bunny-Kostümen und Untertertia-Texten lassen „Moldy Peaches“ den Lo-Fi-Folk auferstehen

Diese Band, so müssen wir lesen, spielt „Anti-Folk“. Was genau das sein soll? Schwer zu sagen. Womöglich hat es mit blindem Hass auf Lagerfeuer zu tun. Vielleicht steckt Sprache gewordener Dissens zur Kuschel-Akustik des neuen leisen „new loud“ dahinter. Dabei klingt das Ganze eigentlich verdammt nach dem Lo-Fi-Sound von vor ein paar Jahren: Rumpelnde 4-Spur-Aufnahmen, auf denen Akustikgitarren aus dem Thrift-Store schraddeln, Sänger vergessene Textzeilen mit hysterischem Lachen überbrücken, das Telefonklingeln aus dem Nebenzimmer zu hören ist und das Schlagzeug aus Bananenkisten besteht.

New Yorks Moldy Peaches sind dann aber doch nicht die wiedergeborenen Sebadoh. Schon alleine deshalb, weil nicht überliefert ist, dass deren Lou Barlow jemals im Robin-Hood-Kostüm oder Häschenkleid auf der Bühne gestanden hätte. Mit solchen eigenwilligen Dresscodes haben sich Adam Green und Kimya Dawson schon früh in der Karriere ihrer Band The Moldy Peaches ein gewisses Maß an Befremdlichkeit eingehandelt. Damit, sowie mit Texten, die selbst an den Wänden von Schultoiletten zu den weniger poetischen zählen würden: „Who mistook the crap for genius/ who is gonna stroke my penis“.

Auch die Tatsache, dass Adam bei Bandgründung gerade einmal 13 Jahre alt war, trug nicht dazu bei, dass die beiden 1994 als ernst zu nehmender Newcomer-Act gefeiert wurden. Aber wozu hat man schließlich Freunde? Umso besser, wenn diese Freunde The Strokes heißen und gerade zu Superstars geworden sind. Prompt nahmen sie die Moldy Peaches trotz deren seltsamer Garderobe mit auf eine vierwöchige US-Tour und stellten sie den nachwachsenden Indie-Generationen vor. Schließlich besorgten sie ihnen sogar noch einen Vertrag mit dem wieder belebten Rough-Trade-Label.

Und damit ging es dann wirklich los mit dieser New Yorker Slacker-Slapstick-Band, die den Refrain eines ihrer schönsten Stücke („Steak For Chicken“) auf „sittin‘ on the couch“ reimt, eine eigenwillige Version des amerikanischen Kinderlieds ,,Little Bunny Foo Foo“ spielt und in ihrem ersten Hit fragt, wer denn wohl das Crack versteckt hält. Nicht nur herzerfrischend, sondern gar -zerreißend sind jene Momente, in denen sie ihre spielerische Infantilität vermengen mit reinem, pubertären Verlangen: „And besides, you‘re probably holding hands/With some skinny pretty girl who likes to talk about bands/And all I want to do is ride bikes with you/And stay up late, and watch cartoons“, singt Kimyas zitterige Stimme dann in „Nothing Came Out“. Und bevor wir glauben könnten, da schwinge ein wenig Rührung über ihren eigenen Text mit, wischt ein fieses 80er-Schweine-Rock-Solo alle Wehmut weg. Da sind die beiden dann wieder ganz Royal Trux.

Aber so muss das wohl sein, bei „Anti-Folk“-Bands. Wenn die Moldy Peaches nun erstmals nach Hamburg kommen, dann ist aus dem Duo ein Sextett geworden. Bestimmt kein erwachsenes und vermutlich kein adrett gekleidetes, aber zumindest eine vollere Moldy Peaches-Inkarnation, als das (musikalisch) oft intim entblößte Duo ihres ersten Albums. Zum Glück haben die beiden Gründer Adam und Kimya pünktlich zur Tour ihre jeweiligen Soloalben fertig – nicht, dass aus „Anti-Folk“ plötzlich noch Rock wird. Gregor Kessler

mit David Kitt: Sonnabend, 21 Uhr, Logo