■ Reaktionen zu Karsli, Möllemann etc.
: Nix vorzuwerfen?

betr.: „Untragbar“ (Das Problem der FDP heißt nicht Karsli, sondern Möllemann), taz vom 21. 5. 02, „Der Wiederholungstäter“, taz vom 23. 5. 02, „Zwischen Moral und Zensur“ (Stefan Reinecke, Eberhard Seidel), taz vom 25. 5. 02

Herrn Möllemann ist eigentlich kaum etwas vorzuwerfen, zumindest nichts, was bisher in der taz von ihm zitiert wurde. Herr Möllemann hat schlicht Recht, wenn er die faschistische Politik der Scharon-Regierung kritisiert. Und wenn er dem Zentralrat der Juden und Herrn Bubis [???, d. Red.] Arroganz vorwirft, so hat er erneut Recht: Die Personen in diesem Gremium sollten in der Lage sein, zwischen berechtigter Kritik an der israelischen Regierung und Antisemitismus zu unterscheiden. Dies haben sie aber wiederholt bewusst vermieden. Damit reklamieren die VertreterInnen der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden für Israel eine Sonderbehandlung, und dies fördert selbstverständlich bei den entsprechenden Personen Aversionen, in diesem Fall den Antisemitismus. – Nichts anderes hat Herr Möllemann gesagt! […]

GEORG LITTY, Unterjesingen

Wer sich solche in Richtung „Neuer salonfähiger Antisemitismus“ gehende Sachverhalte bewusst leistet, sich nicht distanziert, sondern damit „spielt“, es benutzt, der müsste sich in unserem Land mit unserer Geschichte und Gegenwart eigentlich sofort diskreditieren. Ist dem auch so? Und um eins ganz deutlich vorwegzunehmen, das hat nichts mit der wichtigen und nötigen, sehr konkreten und offenen Kritik an der derzeitigen amtierenden israelischen Regierung zu tun, denn dahinter wird diese neue Art von FDP-Politik versteckt. Für mich steht das Label FDP im Moment für Freunde Deutscher Provinzpolitik. Aber dafür ist das Thema mit seinen Auswirkungen doch zu ernst. PETER ANDERS, Berlin

Ich finde, man macht es sich zu leicht, wenn man die Antisemitismuskeule auf Möllemann, Karsli usw. herniedersausen lässt. Fakt ist doch, dass alle Welt zusieht, wie Scharons rohes, zügelloses Kriegsvolk in oft barbarischer Rachsucht ihr Mütchen an den Palästinensern kühlt. Wer das kritisiert, ist doch kein Antisemit, auch wenn die Israellobby das so darstellt! Ich hoffe, die taz findet zu einer differenzierteren Sicht der Dinge zurück und findet den Mut, in dieser Frage die Seite der Schwachen zu vertreten.

ALOIS MEYER, Hamburg

Möllemann, gierig und selbstüberschätzt, hat den Mund zu voll genommen, sich verschluckt, und jetzt steckt ihm der braune Brocken im Hals; und keiner kopft ihm auf den Rücken, damit er ihn auskotzen kann. Atemnot stellt sich für ihn und seine Partei ein, was massenweise linksliberale Wähler dazu motivieren kann, im September grün zu wählen. […] ERLING PLAETHE, Berlin

Vielen Dank für den ausgezeichneten Beitrag von Stefan Reineke und Eberhard Seidel. […] Es ist eminent wichtig, dass nicht weiterhin in falschen Frontstellungen debattiert und auf diese Weise einem bereitstehenden Rechtspopulismus zugearbeitet wird, sondern über die hier richtig gestellten Fragen weiter offen nachgedacht und geschrieben wird. JÖRG KAMMLER, Osnabrück

Die einseitige Berichterstattungen der Medien zum Nahostkonflikt, die Äußerungen von einigen Politikern und linken Intellektuellen unseres Landes, die Denkweise innerhalb der Friedensbewegung lassen die Vermutung zu, dass sich in unserem Land Kräfte entwickelt haben, die in eine gefährliche Richtung führen.

So sind in den antiisraelischen Äußerungen des Herrn Möllemann gegenüber Scharon und in den provokativen Äußerungen gegenüber dem Zentralrat der Juden antisemitische Tendenzen zu erkennen. […] Es handelt sich hierbei nicht um herbe Kritik. Der Weg zu einem neuen Antisemitismus wird vorbereitet.

Immer mehr demokratisch denkende Politiker sprechen sich gegen die Äußerungen des Herrn Möllemann aus, was erfreulich ist und Hoffnung weckt. Bedauerlicherweise werden Möllemanns Provokationen jedoch andererseits durch einen hohen Anteil unserer Bevölkerung mit dem Begriff Meinungsfreiheit gleichgesetzt. Dabei wird nicht darüber nachgedacht, was Möllemann bezweckt und was diese Äußerungen in der deutschen Innen- und Außenpolitik bewirken können. Demokratie und Meinungsfreiheit sind zweifelsohne unser höchstes Gut, aber sie werden immer häufiger mit dem Wunsch nach Freiheit ohne Grenzen und totaler Unbeschwertheit verwechselt. […]

MONIKA SCHMITZ, Wesseling

Als taz-Genossenschaftler und (dennoch?!) FDP-Mitglied bin ich erleichtert, dass durch Seidel/Reinekes differenzierte Bewertung der durch den fälschlicherweise als „Möllemann vs. Friedmann“ personifizierte Grundsatzkonflikt zwischen Israel und Palästina wieder einigermaßen „realpolitische“ Dimension annehmen darf. Die Polemisierung in Deutschland über die „einzig wahre“ Betrachtungsweise hat inzwischen burleske Züge angenommen. Völlig verschiedene politische Grundüberzeugungen werden über vermeintliche oder auch tatsächliche Antisemitismusvorwürfe zueinander gestellt. Diese Art der gesellschaftlichen Phobie gegenüber allem Jüdischen hat sicherlich eine zusätzliche, besonders deutsche Komponente in der Debatte erhalten.

Aber wer glaubt eigentlich noch ernsthaft, dass das Verwenden menschlicher Bomben im Angriff auf unschuldige israelische Frauen, Männer und Kinder eine bessere Qualität darstellte als das Überrollen und Erschießen von Frauen, Männern und Kindern in den Palästinenserlagern durch israelische Panzer? Wenn mir das einer als Vater von zwei Kindern und humanistisch denkendem Menschen wirklich überzeugend erklären könnte, vielleicht würde ich dann ja in der Lage sein, zu „begreifen“. Begreift wirklich noch jemand diesen Wahnsinn?

UWE WETTER, Euskirchen

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