Ri'spect to Bremerhaven

■ In Bremerhaven trifft sich morgen die Haute Volée der schwarzen Musik in Deutschland, um ein Zeichen gegen Fremdenhass zu setzen

Der Ort ist symbolträchtig: Der Columbusbahnhof heißt auch Kaje der Tränen. Von hier brachen Hunderttausende in die Fremde auf, um ihr Glück zu suchen. „Heute geht es andersherum“, sagt Anne Schmeckies, mit der alles anfing, „und oft nehmen wir die Neuankömmlinge alles andere als freundlich auf.“ Darum soll es gehen: Um gleiche Rechte bei aller Verschiedenheit. Und womit ließe sich dafür besser Reklame machen als mit Musik? Apropos Reklame: Die Idee hat Berufsschullehrerin Schmeckies, die seit 1993 in der Seestadt Konzerte für Toleranz veranstaltet, gemeinsam mit ihren SchülerInnen im Wahlpflichtfach „Corporate Communications“ entwickelt. Daraus wuchs eine Agentur gleichen Namens, die nun mit dem Stadtschülerring und der Böll-Stiftung das Konzert der Superlative organisiert hat. Der Titel „ri'spect“ soll im Hip-Hop-Slang auf den Punkt bringen, was als allgemeines Prinzip des Zusammenlebens eigentlich schon genügen würde.

Sie kommen aus Bremen, Köln, Hamburg, Berlin, Kleve, Bremerhaven und irgendwie auch aus der halben Welt. Sie spielen Hip-Hop, Reggae, Soul, Ragga, Gospel, Tam Tam oder zeigen Bauchtanz. Und sie haben was zu sagen: Zwischen den Konzerten soll es auch Redebeiträge geben, unter dem Motto „Eine Welt“. Da können die Bremer von Elavanyo erkären, warum Menschen aus ihrer Heimat Togo fliehen. Andere Musiker können erzählen, welchen Anfeindungen oder Behördenschikanen sie ausgesetzt sind. Klar, dass die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, da gern die Schirmherrschaft übernimmt und auch persönlich kommen will. Nicht ganz so selbstverständlich ist bei einer politisch so klar positionierten Veranstaltung, dass Bremerhavens Tourismusbüro bei der Werbung hilft und ein Viertel der Kosten trägt.

Das dürfte auch mit den musikalischen Zugpferden zu tun haben, die sich in Bremerhaven vor allem in Form von „Brothers/Sisters Keepers“ ein Stelldichein geben werden. Die Initiative Afrodeutscher Musiker fand sich nach dem Mord an Alberto Adriano 1998 zusammen und stürmte mit ihrer Single „Adriano (Letzte Warnung)“ die deutschen Charts. Auf ihrem Album „Lightkultur“ versammelt sich so ziemlich alles, was in der Afrodeutschen Musikszene Rang und Namen hat, vom Hip-Hopper Sammy Deluxe bis zum Schnulzen-Soulboy Xavier Naidoo.

Die Keepers (Beschützer) nehmen ihren Namen ernst: Sie singen nicht nur gegen Ausgrenzung und rassistische Gewalt, sondern haben inzwischen eine Infrastruktur auf die Beine gestellt, mit der sie konkrete Hilfestellung geben können. In Verbindung mit lokalen Initiativen stärken sie den Opfern von Nazi-Gewalt den Rücken. Gegenwärtig versucht der Verein zum Beispiel, entgegen der Residenzpflicht zu erreichen, dass ein äthiopischer Asylbewerber umziehen darf, der in Ostdeutschland von Skinheads mit Kampfhunden angegriffen wurde. Dabei helfen die zahlreichen politischen Kontakte, die die Musiker inzwischen aufgebaut haben. Die Parteien reißen sich nur so um die jugendlichen Aushängeschlilder. Als Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) kürzlich mit Brothers Keepers-Stars durch ostdeutsche Schulen tourte, war er basserstaunt über den Zugang, den die jungen Musiker zu den SchülerInnen hatten.

Aber manchmal ist auch einfach nur Geld nötig: Brothers Keepers machten die Eltern des jungen Nigerianers ausfindig, der vor einigen Monaten in Hamburg an einem von der Polizei verabreichten Brechmittel starb, und schickten seine Leiche auf eigene Kosten nach Hause. „Wegen so was hat allein schon unser Kassenwart ein Interesse daran, dass der Rassismus in diesem Land weniger wird“, sagt BK-Sprecher Dirk Seifert mit bitterer Ironie. Ganz ohne Dissens läuft es auch im antirassistischen Lager nicht ab: Zwei Keepers-Stars verstörten linke Fans, als sie für sich reklamierten: „Wir sind stolz, Deutsche zu sein.“ – für Schwarze eben immer noch nicht normal.

Nach Bremerhaven kommen sie, weil BK-Gründer Adé dort schon einmal zu einer Diskussion über Rassismus war – auf Einladung von Anne Schmeckies. Als Top-Star des Abends wird Torch mit von der Partie sein, der einst mit seinem Titel „Fremd im eigenen Land“ stilbildend für die Afrodeutsche Hip-Hop-Szene war.

Jan Kahlcke

„ri'spect“, morgen ab 19 Uhr (Einlass 18 Uhr) im Columbusbahnhof Bremerhaven, Eintritt 14 Euro, für Flüchtlinge mit Nachweis frei

Informationen unter www.rispect.net und www.brothers-keepers.de