dem gedächtnis auf der spur: robert longos „freud“-zyklus im jüdischen museum

Nicht ohne Liebe hat er sie „meine alten dreckigen Götter“ genannt. Am Ende seines Lebens besaß Sigmund Freud an die 2.000 Fundstücke aus der Antike – ägyptische Figurinen, römische Bronzen, undatierbare Scherben. Wie viele dieser Schätze aus seiner Sammlung bei der Emigration von Wien nach London verschollen sind, ist nicht genau bekannt. Doch kurz bevor Freud das nationalsozialistische Österreich am 4. Juni 1938 verließ, hat der Fotograf Edmund Engelman die Wohn- und Arbeitsräume des Begründers der Psychoanalyse dokumentiert. Dabei sind Aufnahmen der Kunstschätze entstanden, aber auch Blicke auf alltägliche Situationen von der Behandlungscouch bis zur Haustür oder auf die Straße.

Engelmans Fotos bilden seither eine wichtige Quelle für Konzeptkünstler. Sie sind das Erinnerungsmaterial, das es durchzuarbeiten gilt, will man sich Gedanken über das Funktionieren von Gedächtnis machen. Das hat Joseph Kosuth bei seiner Installation „A View To Memory“ angetrieben, die derzeit im Sigmund-Freud-Museum in dessen ehemaliger Praxis in der Wiener Berggasse 19 zu sehen ist. Und das ist auch das zentrale Thema in den Zeichnungen des amerikanischen Künstler Robert Longo, die bis zum 14. Juli im Jüdischen Museum Berlin, Lindenstraße 9-14, gezeigt werden: Wie kann man den Raum sichtbar machen, der, so Longo, „zwischen persönlichen und abstrakten Symbolen und gesellschaftlichen Metaphern“ existiert?

Vorsichtig und genau sucht Longo mit seinen großformatigen Arbeiten das Freud’sche Reich nach Spuren ab. Neben antiken Figuren (Foto) sind es der Schreibtisch, die Muster der teppichartigen Decke auf der Behandlungscouch – und immer wieder Türen. Sie markieren für den Künstler nicht bloß Interieur, sie sind auch Zugänge zum beschädigten Leben in der NS-Zeit: „Die ersten drei Türen waren beinahe wie Himmel, Hölle und Fegefeuer. Die Tür mit dem Hakenkreuz war das Tor zur Hölle, die mit dem Gitter das Fegefeuer. Die offene Tür ist der Himmel“, erklärt Longo im Interview (taz-Berlin, 29. 5.). Entsprechend ist die Atmosphäre der tiefschwarz mit Kohle gezeichneten Bilder vor allem eines: geisterhaft. HF