Rebellen jagen kongolesische Meuterer

Kontroverse um Massaker in der kongolesischen Stadt Kisangani, wo Ruanda-treue Rebellen Meuterer jagen. Regierung und Rebellen empören sich über die UNO, deren dort stationierte Blauhelme nichts mitbekommen

BERLIN taz ■ Schreckliche Szenen haben sich in den letzten zwei Wochen um Kisangani abgespielt, die größte Stadt im Gebiet der Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die mit Hilfe Ruandas den Osten des Kongo beherrscht. Hunderte von Menschen sind gestorben, seit am 14. Mai 100 RCD-Meuterer den Radiosender der Stadt besetzten und mit Parolen, die an den Beginn von Ruandas Völkermord 1994 erinnerten, zur Jagd auf Tutsi aufriefen. Mehrere Menschen wurden gelyncht, bevor die Meuterer vor der anrückenden RCD-Armee flohen.

Seitdem sind viele weitere Tote zu beklagen. Ein belgischer Priester hat berichtet, betrunkene RCD-Einheiten seien durch das Slumviertel Mangobo gezogen und hätten 40 Menschen erschossen. Lokale UN-Mitarbeiter sprechen von zwei Massengräbern am RCD-kontrollierten Flughafen. Lokale Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) haben ausgesagt, 150 verstümmelte Leichen seien aus dem Tshopo-Fluss gezogen worden, einem Arm des Kongo-Flusses, an dem Kisangani liegt.

Über die Herkunft der Wasserleichen gibt es einen Augenzeugenbericht. Ein kongolesischer Bauer namens Barthélémy hat erzählt, wie Bewaffnete eine Gruppe von Gefangenen ans Flussufer trieben: Er selbst wurde zur Mitarbeit herangezogen, als man ihn sah. Ein Auszug aus seiner Schilderung: „Sie töteten einen nach dem anderen, sie schnitten ihnen die Kehle durch mit dem Kopf über einer Mulde im Sand, damit dort das Blut hineinläuft. Dann öffneten sie ihnen den Bauch mit einem Messer und leerten die Eingeweide in die gleiche Mulde. Sie steckten alle Köpfe in einen großen Plastiksack. Mit meiner Hacke grub ich ein Loch, wo die Köpfe begraben wurden. Sie ließen die Körper liegen, nachdem sie sie in Stücke geschnitten hatten.“

Allerdings zirkuliert dieser Bericht in verschiedenen Versionen. In einer sind die Täter Tutsi-Soldaten der RCD, in einer anderen sind es ruandische Hutu-Milizionäre. So werden Kisanganis Tote Objekt politischen Streits.

Die RCD hält sich für unschuldig und verlangt eine unabhängige internationale Untersuchung. Der UN-Mission im Kongo traut sie das nicht zu, denn sie sei parteiisch, sagt die RCD unter Berufung auf einen internen UN-Bericht, der die RCD schwer belastet. Wie die RCD an diesen Bericht gekommen ist, ist nun wiederum Thema einer internen Untersuchung der UNO. Die Regierung ihrerseits hält die UNO auch für parteiisch – für die andere Seite: RCD-Einheiten seien in einem UN-Flugzeug aus der Rebellenhauptstadt Goma gekommen, um die Meuterei niederzuschlagen, behauptet sie.

Nun verlangt die RCD die Absetzung des Leiters der UN-Mission im Kongo, und die Regierung verlangt eine Veränderung des UN-Mandats. Beide Seiten haben Grund zum Ärger mit der UNO: In Kisangani stehen 500 Blauhelme. Dass sie die Massaker nicht verhinderten, verwundert nach früheren Erfahrungen mit UN-Missionen in Zentralafrika nicht. Erstaunlich ist jedoch, dass sie wie vom Erdboden verschluckt sind und nicht wissen, was mitten in einem ihrer wichtigsten Stationierungsorte im Kongo los ist. DOMINIC JOHNSON