Ein Intranet für Europas Grenzpolizei

Innenminister der EU und der Kandidatenländer beraten über Schutz der Außengrenzen: Geplant ist zunächst ein besserer Datenaustausch. EU-Kommissar Vitorino lässt Staaten bei Asylgesetzen freie Hand. Harmonisierung rückt so in weite Ferne

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Bei einem Sondertreffen haben die Innenminister der EU und der Kandidatenstaaten gestern in Rom über den Schutz der Außengrenzen beraten. Anfang Mai hatte die EU-Kommission bereits einen Stufenplan vorgelegt, wie der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit nationaler Grenztruppen verbessert werden können. Italien hatte angeboten, die praktischen Möglichkeiten für eine gemeinsame Grenzpolizei in einer Umfrage unter den Ländern mit langen Außengrenzen auszuloten.

Da der italienische „Stiefel“ mit seiner langen und unübersichtlichen Küstenlinie kaum kontrolliert werden kann, trägt Italien derzeit in Schengenland die größte Belastung, Flüchtlinge von See her abzuwehren. In den vergangenen Wochen wurden über 7.000 illegale Einwanderer in italienischen Hoheitsgewässern aufgegriffen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, in einem ersten Schritt die Kosten für den Schutz der Außengrenzen gerechter unter den Schengen-Ländern zu verteilen.

Die Umfrage, an der sich neben Italien auch Deutschland, Belgien, Frankreich und Spanien beteiligten, wurde gestern in Rom vorgestellt. Sie kommt ähnlich wie das Papier der Kommission zu dem Ergebnis, dass in einem ersten Schritt der Informationsaustausch verbessert werden muss. So soll ein sicheres Intranet zwischen den Grenzposten geschaffen werden. Die nationalen Datensammelstellen für gefälschte Papiere wollen besser vernetzt werden. Grenzbeamte sollen gemeinsam ausgebildet und in Austauschprogrammen an den Grenzen anderer Länder eingesetzt werden.

Für jeden dieser Bereiche soll ein anderes Land federführend sein, sodass am Ende eine „dezentrale, für viele Zwecke einsetzbare Struktur entsteht, leicht und flexibel“, wie es schwärmerisch in der Studie heißt. Als Pilotprojekt ist vorgesehen, Verbindungsbüros der Einwanderungsbehörden an den internationalen Flughäfen der Mitgliedsstaaten einzurichten.

Italien will für die Flughafen-Daten die Federführung übernehmen. Mittelfristig soll ein Ausschuss aus Vertretern der jeweiligen nationalen Grenztruppen gebildet werden, der sich viermal im Jahr treffen soll. Er soll entscheiden, wie die gesammelten Informationen behandelt werden. Ähnlich wie bei Europol dürften nun auch beim Grenzschutz neue Verbindungsbüros entstehen, die nationale Eigenbröteleien übertünchen, aber nicht beenden. „Wir tun was gegen Terrorismus, grenzüberschreitende Kriminalität und illegale Migranten“, lautet die Botschaft an Europas nach rechts abdriftende Wähler.

Wer genauer hinschaut, fragt sich nach dem Mehrwert neuer Ausschüsse, wo doch schon jetzt Informationsaustausch auf allen Ebenen theoretisch möglich ist.

Die Innenminister stehen in Wahrheit dem in Tampere ausgerufenen gemeinsamen Raum der Sicherheit und des Rechts so skeptisch wie eh und je gegenüber. Zwischenstaatliche Koordination statt Vergemeinschaftung bleibt die Devise.

Der in der Kommission für Justiz und Inneres zuständige Kommissar Antonio Vitorino ist inzwischen auch auf diese Linie umgeschwenkt. Heimlich und leise hat er Anfang Mai den Richtlinienvorschlag zur Familienzusammenführung geändert. Wer das Kleingedruckte liest, kann sehen, was die Kommission neuerdings unter Harmonisierung versteht: Jedes Land kann auch künftig eigene Asyl- und Einwanderungsgesetze machen. Otto Schily darf das Nachzugsalter in Deutschland auf höchstens zwölf Jahre festsetzen.

Wenn es darum geht, Flüchtlinge wieder loszuwerden, ist der Wille zu einheitlichem Handeln dagegen deutlich stärker ausgeprägt. Die gestern in Rom vorgestellte Studie nennt „Rationalisierung von Abschiebungen“ als eine der kurzfristig möglichen Maßnahmen. Vielleicht kann die britische Luftwaffe den Job übernehmen. Nach Geheimplänen aus Tony Blairs Büro, die der Guardian enthüllte, sollen abgelehnte Asylbewerber in „sicheren Massenladungen“ aus Großbritannien ausgeflogen werden, während die Kriegsmarine im östlichen Mittelmeer illegale Migranten aus Afrika abfängt.