Friedenssucher mit Charisma

Bundesaußenminister Fischer wirbt bei seinem Besuch in Israel für eine internationale Nahostkonferenz. Darin sieht er eine Chance, kennt aber auch die Hindernisse für einen Neuanfang. Mit Kritik an Scharon und Arafat hält er sich zurück

aus Jerusalem ANNE PONGER

Fast zwei Stunden hat gestern die Begegnung zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und Bundesaußenminister Joschka Fischer gedauert, weit länger als geplant, sodass ein Höflichkeitsbesuch bei Präsident Katsav ausfallen musste.

Über regionale, internationale und bilaterale Fragen habe man gesprochen, hieß es beiderseitig. Das intensive, freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden Staaten sei ebenso erwähnt worden wie die Frage, wie man einen politischen Horizont im Nahostkonflikt aufzeigen könne, der Terror und Blutvergießen ein Ende setzt. Als Außenminister dürfte Fischer sich damit aus Israel verabschiedet haben. Fischer im Doktortalar und schwarzer Flachkappe mit goldener Quaste in Haifa, ein schüchternes Lächeln im Gesicht. Im dunklen Anzug, ernst und respektvoll, beim Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Im offenen Hemd beim Bier im nächtlichen Gespräch mit Journalisten auf der Terrasse des Jerusalemer King-David-Hotels, sich manchmal übermüdet die Augen reibend, auch Ratlosigkeit nicht verbergend.

„Fischer besitzt ein natürliches Charisma“, erklärt Avi Primor, Israels Exbotschafter in Deutschland, die Popularität des deutschen Außenministers im Nahen Osten. „Das verschafft ihm die Fähigkeit, zu rügen ohne zu verletzen.“

„Dies ist kein gewöhnlicher Tag für mich“, sagte er bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Haifa, die er für seinen hohen persönlichen Einsatz für den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern bekam. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einer Universität spreche, aber es ist das erste Mal, dass ich offiziell von einer Universität aufgenommen werde.“

Mit Feingefühl rief er am Mittwoch zu entschlossenem Widerstand gegen alle Formen des Antisemitismus auf, ohne auch nur mit einem direkten Wort auf die aktuelle deutsche Debatte einzugehen: „Es beschämt mich, wenn sich deutsche Juden in meinem Land wieder allein gelassen fühlen.“

Fischers letzte geplante Nahostreise vor den Wahlen ergab sich aus der Einladung der Haifaer Universität. Es lag nahe, dass er die Visite nutzte, um für die Idee einer internationalen Konferenz zum Neubeginn eines Nahost-Friedensprozesses zu werben. Schon für Juli ist sie im Gespräch, beteiligen sollen sich als so genanntes Quartett die USA, Russland, die EU und die UNO. Fortschritte auf drei Ebenen werden erhofft: politische Verhandlungen auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung, Wiederaufbau und Reform der palästinensischen Institutionen sowie neue Sicherheitsmaßnahmen. Die Reaktion Scharons ist bislang verhalten, und auch die Europäer haben sich noch nicht einheitlich zu der Initiative positioniert. Theoretisch sieht Fischer eine Chance, doch als skeptischer Kenner der Region auch die Hindernisse. „Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was hier drinnen läuft und bei den internationalen Vorstellungen“, gab er vor Journalisten zu.

Ob er den Palästinenser Arafat für einen verlässlichen Partner halte? Fischer vermied ein deutliches Ja: „Eine demokratische palästinensische Führung statt Arafat dürfte für Israel nicht einfacher sein.“ Auch mit Blick auf Scharon blieb er diplomatisch. Auf die Frage, wie er an der Stelle Scharons handeln würde, meinte er: „Ehrlich gesagt, das kann ich nicht beantworten.“ Und fügte vorsichtig hinzu: „Wir können uns die politischen Führer nicht aussuchen.“