Ist Thierses Strafe der SPD willkommen?

Der Bundestagspräsident bittet die Kölner SPD für ihren Spendenklüngel zur Kasse – und beendet damit den offiziellen Teil der Affäre. Führende Genossen bestreiten, dass ihnen der klare Schnitt zum Wahlkampfbeginn gerade recht kommt

KÖLN taz ■ Für ihre skandalgebeutelten Kölner Schwarzgeld-Genossen muss die Bundes-SPD rund 493.000 Euro Strafgeld zahlen. Das hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) entschieden. Die Summe werde bei der Auszahlung der staatlichen Parteizuschüsse für das laufende Jahr verrechnet, hieß es. Hintergrund sind illegale Barspenden, die von Kölner SPD-Funktionären in den Jahren 1994 bis 1999 angenommen worden waren.

Statt sie ordnungsgemäß in ihren Rechenschaftsberichten aufzulisten, war ein Teil des Geldes über fingierte Spendenquittungen in die Kölner Parteikasse transferiert worden. Gegen über 40 Kölner SPD-Mitglieder wird deshalb ermittelt, 25 von ihnen müssen sich derzeit vor internen Schiedsgerichten verantworten.

Hinter den Kulissen wird jetzt spekuliert, warum Thierse die Strafzahlungen so kurzfristig festgelegt hat. Kritiker vermuten, dass auf Druck der SPD vor dem Beginn der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes ein „reinigendes Gewitter“ in Form eines abschließenden Urteils kommen sollte.

Dem trat der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek, gegenüber der taz entgegen: „Damit ist nur der finanzielle Schaden behoben worden, der durch die Kölner Affäre entstanden ist, aber nicht der politische.“ Die Beteiligten würden nun von der Landes-SPD entsprechend ihrer Verstrickung in die Affäre zur Rechenschaft gezogen. „Jedem Quittungsempfänger muss nun klar geworden sein, dass es sich nicht um ein Kavaliersdelikt gehandelt hat, sondern dass der Partei dadurch ein großer finanzieller Schaden entstanden ist.“ Ansonsten sei die Staatsanwaltschaft für die Aufklärung weiterer Hintergründe zuständig.

„Das Urteil ist sehr hart“, sagte die Vizevorsitzende der Kölner SPD, Anke Brunn, gegenüber der taz: „Wir Kölner bedauern, die SPD in diese Situation gebracht zu haben. Jetzt müssen wir unseren Beitrag dazu leisten, das wieder gutzumachen.“

Wie das aber geschehen soll, dazu hält sich die Exministerin bedeckt. Immerhin hatte die Bundes-SPD bereits frühzeitig angekündigt, dass sie sich bei den sündigen Genossen der Domstadt schadlos halten wolle. Für die aber ist die Strafsumme nahezu ein ganzer Jahresetat. Der Kölner SPD-Chef Jochen Ott hatte deshalb gefordert, dass Landes- und Bundespartei bei ihren Forderungen an die Kölner Basis auch Rücksicht auf die Finanzierung des Bundestagswahlkampfs in der viertgrößten deutschen Stadt nehmen müssten.

Klar sind sich inzwischen alle Parteigliederungen, dass die Expolitiker Manfred Biciste und Norbert Rüther für die finanziellen Folgen der Affäre in Regress genommen werden sollen. Ob aber bei ihnen etwas zu holen sein wird, ist unklar. Und dann bleiben die Strafzahlungen doch wieder ganz an der SPD haften.

Unterdessen ist der Ausgang des ersten gestarteten Schiedsgerichtsverfahrens weiterhin unklar. Der Kölner Bundestagskandidat Werner Jung, der als Empfänger falscher Quittungen verdächtigt wird, wartet nach einer Verhandlung am Montagabend nun auf einen Brief mit dem Urteil. Am Dienstag kommender Woche will die Kölner Partei dann entscheiden, ob er weiter für den Bundestag kandidieren darf oder ob ein neuer Bewerber aufgestellt wird.

Unterdessen sind sowohl der Verbleib von rund 300.000 Mark an weiteren Barspenden als auch die Frage unklar, warum die üppigen Zuwendungen geflossen sind. Ermittler vermuten Korruption beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage, haben aber aus taktischen Gründen eine Nachrichtensperre verhängt. FRANK ÜBERALL