Tage mit Winnie

Es ist nun schon über 25 Jahre her, und vielleicht ist die Erinnerung auch deshalb ein wenig verblasst. Was ich noch weiß, ist, dass auch ich damals diese kleinen Bildchen gesammelt und ins Album geklebt habe. Und gut erinnern kann ich mich auch noch daran, dass das Klebebildchen von Winfried Schäfer, schon damals mit einer stattlichen Mähne ausgestattet, so ziemlich am meisten wert war, mindestens drei von jedem anderen Spieler der Mannschaft, außer von Rudi Wimmer natürlich. Wimmer stand damals im Tor beim Karlsruher SC und war Kult; Schäfer war von den Kickers in Offenbach gekommen, spielte im Mittelfeld und war die Hoffnung auf bessere Zeiten; und ich stand als Zehnjähriger neben meinem Cousin im Fanblock und war stolz auf den langen blau-weißen KSC-Schal, den mir meine Oma gestrickt hatte und den ich heute noch in Ehren halte. Die Hoffnung hingegen war zwei Jahre später schon gestorben: Der KSC stieg mal wieder ab, und auch Winfried Schäfer verließ den Verein. Er wechselte zu Borussia Mönchengladbach. Deutscher Meister wurde er mit den Gladbachern, Pokalsieger ebenso – und zur Krönung gewann er auch noch den Uefa-Cup.

Nochmals neun Jahre später – der KSC war zwei weitere Male auf- und wieder abgestiegen – kam Winfried Schäfer plötzlich zurück nach Karlsruhe, diesmal als Trainer. Es war der 1. Juli 1986, und es war der Tag, an dem das Leben als KSC-Fan begann, wunderbar zu sein: Winnie stieg sofort in die Bundesliga auf – und er blieb sogar drin. Mehr noch: Winnie kam in den Uefa-Cup, sogar bis ins Halbfinale, schlug Valencia 7:0 (repetiere: 7:0), schaffte den Sprung ins Pokalfinale, redete von der Meisterschaft und brachte so ganz nebenbei Nachwuchskräfte wie Oliver Kahn, Mehmet Scholl und Jens Nowotny heraus. Vielleicht war all das zu viel für den wilden Winnie, wie wir ihn seiner Tobsuchtsanfälle am Seitenaus wegen nannten, und er hob deshalb ein wenig ab. Vielleicht aber sah auch nur ich die Dinge plötzlich etwas anders, weil ich in der Zwischenzeit nicht mehr als Fan zu den Spielen in den Karlsruher Wildpark kam, sondern als Sportreporter. Als solcher hatte man es nicht einfach mit Winnie, der ja viel Erfolg mit dem KSC vorzuweisen hatte und den man schon deshalb wenig kritisieren durfte, obwohl das doch immer notwendiger gewesen wäre zu jener Zeit. Vielleicht war das damals der Anfang vom Ende von der wunderbaren Geschichte von Winnie und dem KSC.

Wobei: Zu Ende gegangen ist die Geschichte ja nie wirklich, zumindest nicht für Winnie. Zum VfB Stuttgart wechselte er nach seinem Rauswurf beim KSC aus Trotz, weil Badener Schwaben nicht leiden können und er es ihnen auf diese Weise heimzahlen wollte. Als er kurz darauf auch im Schwäbischen gefeuert wurde und danach bei TeBe Berlin angeheuert hatte, verriet er der verwunderten Presse, er fühle sich beim Zweitligisten aus der Hauptstadt wie damals beim KSC. Was Winnie damit suggerieren wollte: Auch TeBe würde bald bessere Zeiten erleben und im Uefa-Cup mitkicken. TeBe hat nie im Uefa-Cup mitgekickt, Schäfer wünschen sie im Verein noch heute zum Teufel.

Zumindest in der Versenkung war Winnie dann ja auch tatsächlich verschwunden. Irgendwie schien sein Ruf doch gelitten zu haben. Bis zu Hause in seiner Ettlinger Villa das Telefon klingelte und der kamerunische Fußballverband anfragte, ob er nicht Kameruns Nationaltrainer werden wolle. Und wie Winnie wollte. Jetzt weilt er also mit Kamerun bei der WM und spielt dort unter anderem gegen Deutschland. Gut möglich, dass er sich dabei fühlt wie damals. Beim KSC. KET

Aktuelle WM-Informationen zum wilden Winnie gibt es unter: www.winni-schaefer.de