h.g. hollein Morgenstund

Die Frau, mit der ich lebe, neigt zur Missgunst. Vor allem, wenn sie zur Arbeit muss und ich nicht. „Lieg nicht so selbstgefällig da!“ werde ich bei solchen Gelegenheiten angeherrscht. Ich bin der Überzeugung, ich liege einfach nur so und mitnichten auch nur annähernd interpretabel da. Zwar fehlt mir der Blick von außen, aber ich glaube fest, dass nichts in meiner morgendlichen Schlummerhaltung den Hinweis rechtfertigt, das Bad sei jetzt frei. Dem mag ja so sein, aber das hätte ich in ein paar Stunden auch ohne die unaufgefordert und mit nörgelndem Unterton vorgebrachte Mitteilung herausgefunden. Auch schätze ich in dieser Phase des wohligen Sichdehnens nicht, subtextuell verschlüsselte Botschaften zu erhalten, die da lauten: „Meine Schuhe müssten auch mal wieder geputzt werden.“ Seltsamerweise hat die Gefährtin an solchen Tagen viel Zeit. Da werden noch „eben schnell“ klappernd ein paar Aschenbecher ausgeleert, die Zeitungen von gestern zusammengeraschelt, und ohne die Nachrichten gehört zu haben, kann die Frau von Welt schließlich unmöglich aus dem Haus. Ach ja, und ein paar Einkaufsaufträge müssen mir natürlich noch in aller Ausführlichkeit angetragen werden. Irgendwann wird dann tatsächlich die Wohnungstür zugeschlagen, aber – siehe da – die Gefährtin hat ganz vergessen, dass sie X. ja „unbedingt heute“ sein Buch zurückgeben wollte. Welches natürlich nicht ohne weiteres zu finden ist und ob dieses Umstandes zu dringlichen Fragen Anlass gibt. Aber dann senkt sich schließlich doch der Friede über mich. Und den kann ich so richtig genießen. Hellwach, wie ich bin.