Ironie des Lebens

Der ungeliebte Schein, die abfahrende Bahn und die kürzeste Schlange, die dann doch zur längsten wird: Von der Schikane des Alltags

von ANNIKA SEPEUR

Das war ja klar! Vor fünf Minuten musste ich mich zwischen zwei gleich langen Kassenschlangen entscheiden. Die linke sah schnell aus: alle Kunden vor mir weit unter achtzig und auch sonst keine Anzeichen für unnötige Verzögerungen.

Jetzt steh‘ ich hier – einen Kassiererwechsel und zwei unbekannte Artikelpreise später. Ich bin noch nicht an der Reihe, während der Typ, der sich vorhin direkt neben mir angestellt hatte, bestimmt schon Chicken Wings und Pommes in seinem Tiefkühlfach verstaut hat. Wieso passiert mir das immer? Wenn ich es eilig habe, springen unter Garantie alle Ampeln kurz vor mir auf rot. Nicht, dass ich nicht manchmal ein Verkehrsdelikt in Kauf nehmen würde, aber leider bremst das stetig 49 fahrende Auto vor mir schon immer 500 Meter im voraus.

Oder der Fahrkartenautomat der U- Bahn nimmt meinen Zehner nicht an, und wenn ich es dann endlich doch geschafft habe, meine Fahrkarte zu ziehen und atemlos auf dem Bahnsteig ankomme, dann fährt die Bahn gerade los. Und der Mann im Kiosk weiß nicht, wovon ich spreche, als ich meine monatliche Lieblingszeitschrift zur Überbrückung der Wartezeit kaufen will. Doch da fällt mir ein, ich hab ja noch meinen Walkman dabei. Also die Drei rein, Kopfhörer auf und „play“. Wieso geht der nicht? Kann nicht sein, den hab ich erst vor ein paar Monaten zum Geburtstag bekommen – und akribisch darauf geachtet, dass er ja nicht runterfällt. Moment mal, vielleicht ist das Problem einfach zu lösen: Und tatsächlich: im Beeil-Stress vergessen, neue Batterien einzulegen... Die Bahn kommt und mir bleibt also nichts anderes übrig als völlig beschäftigungslos, quasi nackt, loszufahren. In der Bahn entpuppt sich dann natürlich der Fahrgast, der ausgerechnet neben mir sitzt, als stinkender Schnacker bei dem es sich zwar weghören, aber unmöglich wegriechen lässt ... Die Bahn ist voll, ein anderer Platz nicht in Sicht. Aber natürlich habe ich vollstes Verständnis dafür, dass bei dem heutigen Deoangebot die Auswahl manchmal schwer fällt. Und dass man sich dann schon mal für gar keines entscheidet. Kein Problem, ich fall‘ gleich nur in Ohnmacht. Irgendwann geht auch diese Bahnfahrt zu Ende und ich entschließe mich, einen leckeren Kaffee zu kaufen. So ein Latte kann den Tag zum Guten wenden. Nur: Der Euro kam und mein Kaffee kostete prompt fast das Doppelte, während alle anderen Kaffees mit 10 Cent davonkamen: „im Zuge der Euroumstellung“, schließlich sind die Kosten erheblich höher geworden. Vielleicht flippe ich gleich mal aus: So „im Zuge der Euroumstellung“, schließlich kostet mich das Ganze erheblich mehr Nerven... Ich lache trotzdem noch. Solange man nicht zweimal hintereinander beim Schwarzfahren erwischt wird, lässt sich akzeptieren, dass der Ironie ein großer Platz im Leben gebührt.

Nachdem drei Familien vor mir ihren Großeinkauf bezahlt haben, bin auch ich jetzt endlich an der Reihe, um meine eine kleine Buttermilch zu bezahlen. Und gleich setzte ich mich dann ins Auto und fahre nur über grüne Ampeln nach Hause, denn schließlich hab ich es jetzt ja auch nicht mehr eilig...