' Ne stolze Viertelmillion

■ Teure Kleider, junge Talente, böse Journalisten. Madame Lothár erzählt, wie sie zur Travestie gekommen ist – nämlich wie die „Jungfrau zum Kinde“

Seit zehn Jahren betreibt Lothar Gräbst zusammen mit Kompagnon Matthias Schnaars das Travestie-Theater im Schnoor.

taz: Vor einiger Zeit gab's im ZDF ein Reiseportrait von Bremen, in dem Sie neben „Jekyll & Hyde“ als die kulturelle Attraktion der Stadt gefeiert wurden. Ist das „Madame Lothár“ eine Touristenfalle?

Lothar (Madame) Gräbst: Das ist ein böses Wort! Als wir 1992 in den Schnoor gegangen sind, konnte man hier zwar wunderbar essen und trinken, aber nirgendwo konnte man sich im Schnoor amüsieren. Und in diese Bresche sind wir gestoßen und haben unser Konzept der Schnoor-GmbH unterbreitet. Die wollten es dann mal mit der Travestie versuchen, und inzwischen wirbt nun die Stadt mit uns.

Wir haben mal nachgerechnet, dass in den 10 Jahren etwa eine Viertelmillion Gäste bei uns war. Bei 99 Plätzen und vier Tagen in der Woche, an denen wir spielen. Immer mit Bravo-Rufen und Standing Ovations zwei- bis dreimal in der Woche.

Wie sind Sie selber denn zur Travestie gekommen?

Lothar Gräbst: Wie die Jungfrau zum Kinde. Das war bei mir immer eine Janusgeschichte. Ich habe eine ordentliche Ausbildung als Hotelfachmann gemacht, gleichzeitig aber auch nebenbei an der Folkwangschule Tanzen und Schauspiel gelernt. Das entpuppte sich dann später als ideale Kombination: Gastronomie und Showbizz.

Aber damals hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich einmal Travestie machen würde. Eigentlich wollte ich nicht selber auf die Bühne, sondern lieber junge Talente fördern, organisieren und Regie führen. Dann hat ein Kollege von Ihnen mal einen ganz bösen Artikel geschrieben und darin behauptet, ich säße nur heruntergekommen und voll gefressen hinterm Tresen und träume dort von der vergangenen, nie gewesenen Karriere. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Und dann habe ich mir einfach eine Federboa umgehängt, einen großen Hut aufgesetzt und Verse rezitiert. Und die Leute haben sich gekugelt vor Lachen.

Wie bekommen Sie das hin, dass solche bekannten Unterhaltungskünstler wie Heidi Kabel, Brigitte Mira oder die Jakob Sisters hier in ihrem doch eher kleinen Club auftreten? Die ganz großen Honorare können Sie denen doch wohl nicht zahlen.

Lothar Gräbst: Die kommen aus Freundschaft. Ich war ja von 1961 bis 1964 Geschäftsführer des legendären Bremer Varietés „Astoria“, und ich habe imme rnoch viele Connections aus der Zeit.

Als ich Ihre Show gesehen habe, fiel mir auf, dass eindeutig mehr Frauen als Männer im Publikum saßen – obwohl eine Travestieshow doch eigentlich am ehesten schwule Männer ansprechen dürfte.

Matthias Schnaars: Tolle Kleider, tolle Menschen, tolles Make-up, Witz und Charme, hohe Schuhe: Das fasziniert die Frauen natürlich.

Lothar Gräbst: Mehr als die Männer!

Was kosten solche Kostüme?

Lothar Gräbst: Das kommt drauf an. Für das Finale habe ich mit einen Kopfputz nachbauen lassen, den Josephine Baker getragen hat, und das Ding hat 1.000 Euro gekostet. Wenn wir alle zusammen am Schluss auf der Bühne stehen, dann sind da über 10.000 Euro versammelt, die an die Schneider bezahlt wurden.

Matthias Schnaars: Vielleicht ist es auch das, was die Leute so anzieht. Wir haben jetzt zum Beispiel ein Versace-Kleid in der Show, das ist mit 24 Karat vergoldet. Reines Metal, schwer, eiskalt am Körper, und man kann nichts darunter tragen, weil man das sofort sehen würde. Unser Akteur ist da völlig nackt drunter, aber sowas von rattenscharf.

Das Gespräch führte Wilfried Hippen

Die Jubiläums-Gala am Samstag, ab 21 Uhr, ist natürlich längst ausverkauft, doch am Sonntag treten die Travestie-Künstler und viele Stars ab 15 Uhr umsonst und draußen auf dem Domshof auf