Der Sieg von Helvesiek

Eine Bürgerinitiative vertreibt den Gentechnik-Konzern Monsanto. Der Freisetzungsversuch mit Gen-Mais im Landkreis Rotenburg ist gestoppt. Trotzdem könnte der Monsanto-Mais noch in diesem Jahr als „Normalfall“ auf die Felder kommen. Unbemerkt und ganz legal. Eine Chronik von Armin Simon

Es war ein Sieg, von dem viele Bürgerinitiativen nur träumen können: „Um den Frieden im Dorf wiederherzustellen“ gab der Gentechnik-Konzern Monsanto im März bekannt, dass er sich aus Helvesiek zurückzieht. Der bis Ende 2003 vom Robert-Koch-Institut genehmigte Freisetzungsversuch von genmanipuliertem Monsanto-Mais werde dort nicht fortgesetzt. Die örtliche Bürgerinitiative „Gemeinsam gegen grüne Gentechnik“ hatte ihr erstes Ziel erreicht. „Monsanto wurde der Wirbel zuviel“, ist Sprecherin Angela von Beesten überzeugt.

Für Wirbel in dem 800-Seelen- Dorf in der Nähe von Rotenburg an der Wümme hat die Bürgerinitiative in der Tat gesorgt. Monatelang demonstrierten die Gentechnik- GegnerInnen jeden Sonntag vor dem Mais-Acker, veranstalteten Picknicks und Gottesdienste, Info- Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen. „Das alles hat sicherlich zum Abbruch des Versuches beigetragen“, sagt auch Bürgermeister Gerhard Müller (Freie Wählervereinigung).

Helvesiek war einer von insgesamt 19 Standorten bundesweit, an denen Monsanto seinen sogenannten “Round-Up“-Mais testen wollte. Ein künstlich eingebautes Gen macht diesen gegen das ebenfalls von Monsanto vertriebene Unkrautvernichtungsmittel „Round Up“ resistent: Das Gift vernichtet alles außer dem Gen-Mais. Nur: Wind und Insekten tragen den Pollen mit dem veränderten Erbgut auch auf andere Felder - gentechnikfrei ist dann bald nichts mehr.

“Wir wollten den Kram hier nicht haben“, sagt ein ehemaliger Gemeinderat. Einstimmig und ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr lehnte das neunköpfige Kommunalparlament schon im April 2001 den Freisetzungsversuch ab. Nicht nur wegen der heimischen Imker, wie der Ex-Rat zugibt: „Wir wollten auch keine Unruhe im Dorf.“ Den Weltkonzern störte das alles wenig. Er teilte dem Bürgermeister lapidar mit, dass der Versuch trotzdem stattfinde. „Wir sind machtlos“, verkündete Müller im Juni, als die Bürgerinitiative nachhakte. Der Gen-Mais war da schon längst gedrillt.

Im Ottersberger Ortsteil Benkel hatte Monsanto zwei Jahre zuvor einen Freisetzungsversuch abbrechen müssen, nachdem Unbekannte die Gen-Mais-Pflanzen zerstört hatten. Der Bewachungsaufwand für den Acker, erklärte die Firma, sei zu groß. In Helvesiek, wo Biobauern und „Alternative“ zur absoluten Minderheit zählen, sollte alles anders werden. Proteste wie in Benkel, so gab sich der Projektleiter von Monsanto noch im Mai 2001 in der Lokalzeitung überzeugt, seien „nicht zu erwarten“. Er sollte sich täuschen.

Zwar erklärt Bürgermeister Müller noch heute, in der Gemeinde habe es „eigentlich keinen Konflikt“ um den Anbau der gen-manipulierten Monsanto-Pflanzen gegeben. „Die konservativen Landwirte halten Gentechnik sogar für zukunftsträchtig. Die haben gesagt: ‘Das juckt doch keinen‘“, erinnert sich ein Ex-Gemeinderat. Tatsächlich waren bei den Protestaktionen am Feld HelvesiekerInnen gegenüber den Leuten aus den Nachbardörfern stets in der Minderheit. „Sie wissen ja wie das im Dorf ist - hier will niemand in die Öffentlichkeit“, erklären Helvesieker die eigene Zurückhaltung. Sogar der Gemeinderat habe den Gen-Versuch anfangs verschwiegen - obwohl er dagegen war. „Das Dorf hat alles zugedeckt“, sagen andere.

Im Spätsommer 2001 wiesen die BürgerInnen zusammen mit Greenpeace nach, dass auch der Mais auf dem benachbarten Feld die manipulierten Monsanto-Gen-Sequenzen enthielt. „Eine fahrlässige und nicht genehmigte Freisetzung“, urteilten die Gentechnik-GegnerInnen. GreenpeacerInnen mähten den kontaminierten Mais auf dem Nachbarfeld kurzerhand ab. „Das war ‘ne Nummer zuviel Aufruhr für hier“, sagt eine Dorfbewohnerin. Der Agrar-Multi Monsanto, Platz eins im Biotechnologie-Sektor und zehnmal größer als der nächste Konkurrent, verlor die Lust am Standort.

Arbeitslos wird die Bürgerinitiative damit nicht. Im Gegenteil: War der Anbau von genmanipulierten Pflanzen in Deutschland bisher nur als „Versuch“ erlaubt, soll er jetzt zum Normalfall werden. 50 Tonnen Gen-Mais, hat das Bundessortenamt beschlossen, dürfen dieses Jahr ganz „normal“ zur Aussaat kommen. Auch in Helvesiek? Monsanto hüllt sich in Schweigen.