Maschinen zum Treten

Bald rollt die Tour de France – und schon jetzt plagt viele die Rädchenfrage: Selbst mal auf eine Rennmaschine steigen? Solide Velo-Boliden auch für Einsteiger gibt es in breiter Auswahl, und die Technik ist noch dazu erschwinglich. Also ab auf die Piste!

von JOACHIM LIERTZ

Das Rennrad galt schon immer als der Inbegriff vollendeter Radtechnik. Tatsächlich steckt hinter jedem dieser flotten Flitzer – sofern er gut gemacht ist, versteht sich – die Idee der optimalen Maschine: mit möglichst wenig Kraftaufwand möglichst viel Vortrieb erzielen.

Obwohl ein Rennrad mit weniger Komponenten auskommt als etwa ein verkehrstaugliches Alltagsrad, die Ansatzpunkte der Veränderung demnach geringer sind, ist der Bolide unter den Fahrrädern auch nicht mehr das, was er zu Zeiten eines Eddy Merckx oder gar eines Fausto Coppi war.

Es scheint aber, dass hochwertige Rennradtechnik in den letzten Jahren immer erschwinglicher geworden ist. Um Spaß an der Geschwindigkeit zu haben, benötigt man nicht unbedingt sündhaft teures Profimaterial.

Was aber ist Standard?, fragen sich viele, die zum ersten Mal ernsthaft mit einer Rennmaschine liebäugeln. Als Rahmenmaterial hat sich inzwischen Aluminium weitgehend durchgesetzt. Mit ihm lässt sich hervorragend ein steifer Rahmen mit niedrigem Gewicht bauen – und das zu einem passablen Preis. Auffällig ist dabei: Die verwendeten Rohre haben ein üppiges Erscheinungsbild. Denn nicht über die Wandstärke, sondern über den Rohrdurchmesser lässt sich die Steifigkeit eines Rohres bei geringerem Gewichtseinsatz erhöhen.

Wenn sich etwas bei der Ausstattung als Standard etabliert hat, dann sind es die so genannten Bremsschaltgriffe. Mit diesen kann man, wie es der Name schon andeutet, bremsen und komfortabel schalten. Ruhen die Hände oben auf den Griffen, ist das sogar ohne Umgreifen möglich. Neben dieser beliebten Griffposition bietet der Rennlenker natürlich noch weitere Griffpositionen, mehr als fast jede andere Lenkerform. So kann man von der sportlich gestreckten Sitzhaltung bis zur gemütlich aufrechten wechseln.

Vor einigen Jahren noch vollkommen undenkbar, inzwischen eine häufig angebotene Ausstattungsvariante: das Tretlager mit drei Kettenblättern. Damit wird das Gangspektrum um leichte Berggänge deutlich nach unten erweitert. Vor allem Einsteiger dürften davon profitieren. Wundern mag sich der Rennradneuling dagegen, dass viele Rennräder ohne Pedale verkauft werden. Hier wird dem Kunden die Auswahlmöglichkeit für ein Systempedal gelassen. Bei diesen rastet ähnlich wie bei einer Skibindung eine unter dem Schuh befestigte Platte in das Pedal ein. Durch eine leichte seitliche Drehung der Füße klinkt man sich wieder aus.

Dieser Fortschritt gegenüber dem alten Hakenkäfig am Fuß gilt bei Radprofis als sichere Verbindung. Ihre vornehmste Aufgabe: Unterstützung des „runden Tritts“, der Ideallinie der dynamischen Fortbewegung mit Pedalantrieb (siehe dazu auch den unten stehenden Bericht: „Vor dem Antritt macht es leise klick“).

Vom Anspruch zur Realität, zwei Beispiele für erschwingliche Rennradtechnik auf dem neuesten Stand:

Als echter Einsteiger darf wohl das Pulse von Peugeot – früher eine der Rennrad-Kultmarken – bezeichnet werden. 759 Euro für ein Rad mit 27 Gängen und Alurahmen ist in dieser Modellgruppe ein preisaggressiver Hammer. Sogar noch ein Satz Systempedale und eine Batteriebeleuchtung sind mit dabei.

Als Ausstattungsensemble tritt Xenon auf, und das stammt aus dem Hause Campagnolo – immer noch einer der Komponenten-Kultmarken. Das Fahrverhalten könnte manchem etwas behäbig erscheinen, dem Rennradnovizen dürfte das entgegenkommen. Insgesamt: ein solides Rennrad. Natürlich sind bei ihm einige Abstriche in Kauf zu nehmen, aber mit ihm in die Rennradwelt hineinschnuppern lässt sich allemal.

Dem San Remo von Stevens merkt man deutlich die Tendenz zur Mittelklasse an – und das bezieht sich nicht nur auf den Preis, der um runde 240 Euro über dem des Pulse liegt. Der Rahmen auch hier aus Alurohren, einwandfrei verschweißt. Und auch die Gabel ist aus dem gleichen Material, anders als beim Pulse.

Bei der Ausstattung ist die fast komplette Tiagra-Gruppe von Shimano montiert. Recht hochwertig auch die übrige Ausstattung: Ritchey-Steuersatz, -Lenker und -Vorbau. Erstaunlich für diese Klasse ist das Gewicht von 10,1 Kilogramm: Manch teureres Rad bringt da mehr auf die Waage. Im Großen und Ganzen kommt San Remo als dezente und nicht zu agile Erscheinung daher.

Trotz des Preisunterschieds können beide Modelle ein gutes bis ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis für sich reklamieren. Und an beiden lässt sich verdeutlichen: Wer flitzen will und dabei auf den heutigen Rennradstandard Wert legt, muss nicht so ganz tief in die Tasche greifen.