piwik no script img

Tiefer sitzen, schneller fahren

Zwei neue Typen im ausufernden Fahrradsortiment stehen für sportive Entspannung und entspannenden Sport. Eine Unterscheidung, die durchaus zu erkennen ist. Alltagstauglich ist der Komponentenmix aber nicht immer

Welches Fahrrad in der Freizeit? Was Gemütliches zum Erholen oder lieber eins, bei dem der Puls ins Rasen kommt? Zugegeben, dass überhaupt so eine Frage gestellt wird, mag auf die Komplexität einer Spaß- oder Wohlstandsgesellschaft hindeuten. Eine Dimension, in die hier jedoch nicht weiter vorgestoßen werden soll.

Fahrradhersteller und -händler scheinen aber Bescheid zu wissen: Die Möglichkeiten, heutzutage Freizeit zu gestalten, sind überaus vielfältig. Also darf man der Kundschaft auch nicht nur mit einem Typus kommen. Die Firma HP Velotechnik kommt uns hedonistisch: Als „Genussrad“ stellt sie uns ihr neues Modell Spirit vor, das gerade eben ausgeliefert wird.

Was neben der Rahmenkonstruktion plus Easyrider-Lenker zuerst einmal ins Auge sticht: die Sitzgelegenheit. Lange Rückenlehne und aus- beziehungsweise einladendes Sitzkissen sind getrennt verstellbar – zum Lümmeln geeignet. HP-Geschäftsführer Paul Hollants sieht es so: „Entspannt zurückgelehnt im bequemen, luftdurchlässigen Netzsitz, hat man stets alle Bedienelemente am verstellbaren Lenker und vor allem die Landschaft davor gut im Blick.“ Und Männer, die schon mal gehört haben, dass kleine, harte Fahrradsättel zu Impotenz führen sollen, könnten von dieser Bequemlichkeit begeistert sein.

Wer so sitzt, muss anders treten: eher nach vorn als nach unten. Das Tretlager liegt lediglich ein paar Zentimeter unter der Sitzhöhe. Das Gestänge ist aus Aluminium und überhaupt nicht lang (170 Zentimeter). Zusammen mit den kleinen Laufrädern (vorne 16 Zoll, hinten 20) bekommt das Fahrzeug eine verblüffende Wendigkeit. Sportliches Fahren ist also nicht ausgeschlossen. Da man außerdem auf dem Spirit eine „ermüdungsarme und windschnittige Körperhaltung“ einnehme, sei es auch ideal als Tourenrad, so Paul Hollants. Zurück zu Komfort und Easy-Going: Dafür sprechen dann wieder die Vollfederung oder die einhändig bedienbare Standardschaltung (Srams Dual Drive, eine 24-gängige Paarung aus Ketten- und Nabenschaltung). So ausgestattet ist das Spirit für 1.695 Euro zu haben. Wer dabei ins Schlucken kommt: Immer an den „Genuss“ denken.

Die Gegenposition zur neuen Gemütlichkeit vertraten bisher vor allem Rennrad, Crossrad, MTB, alles, die Fahrradsportgeräte eben. Auch hier ist ein neuer Verwandter auftaucht: das Fitness-Bike. Als solches wird es beispielsweise von Epple und Giant angeboten.

Ein Modell, bei dem die Konstrukteure sich von diesem und von jenem haben inspirieren lassen. Doch trotz aller Unterschiede läuft es zumeist auf ein schnelles Bike hinaus, bei dem der Rennlenker durch eine gerade MTB-Stange ersetzt worden ist. Auch die Bereifung muss nicht immer so schmal wie beim Rennrad sein. Offensichtlich ist die Hybridart für diejenigen gedacht, die zwar Sport treiben wollen, dies aber mit ein bisschen Komfort und mehr zur Entspannung angehen möchten.

Dies trifft sicherlich auch auf Giants FCR-Serie zu (FCR steht für „Fitness Compact Road“). Beispiel FCR 1 T: Hier düst man zwar auf dünnen Rennpneus umher, hat aber einen etwas gedrungeneren, crossartigen Alurahmen im Oversized-Format unter sich. Dafür sind die Laufräder normal groß (28 Zoll), der Lenker ist gerade. Bei Schaltung und Bremsen hat sich Giant für Simanos Renn-Einsteigergruppe 105 entschieden und verlangt für die Mixtur so runde 1.300 Euro. Ein Fahrrad, das außer in der Freizeit, Unterabteilung Sport und Fun, wahrscheinlich selten zum Einsatz kommt: Gepäckträger und Lichtanlage sind bei diesem Road-Racer nicht vorgesehen.

Aber sowohl für den Weg zur Arbeit als vor allem auch für die anderen Freizeitaktivitäten haben sich die Hersteller ja so ihre Gedanken gedacht. Man muss sie nur nachvollziehen können.

HELMUT DACHALE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen